„Ich habe gerade auf der Playstation gezockt, plötzlich stand die Polizei mit Maschinengewehren in meinem Wohnzimmer“, berichtete der Angeklagte vor dem Leonberger Schöffengericht. Er soll Drogen an Minderjährige verkauft haben.
Leonberg – „Ich habe gerade Battlefield auf der Playstation gezockt, plötzlich stand die Polizei mit Maschinengewehren in meinem Wohnzimmer“, berichtete der Angeklagte vor dem Leonberger Schöffengericht. Der Mann hatte in seiner Wohnung in der Leonberger Altstadt mit Marihuana gedealt und den Stoff vorwiegend an Jugendliche verkauft. Jetzt wurde er wegen Drogenhandels und unerlaubten Überlassens sowie unerlaubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in mehr als 50 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Damit war der inzwischen in einer anderen Stadt lebende Mann noch gut bedient. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister listete nicht weniger als 21 Vorstrafen auf – sechs davon einschlägig, vier Mal stand er schon unter Bewährung. „Das Urteil ist getragen von der Hoffnung, dass Sie jetzt endgültig die Kurve kriegen“, sagte der Amtsrichter Armin Blattner und betonte: „Die letzte Bewährungsstrafe liegt aber auch schon acht Jahre zurück.“
Eine grundsätzliche Schuld des Angeklagten für den Drogenkonsum der Jugendlichen schloss er aber aus. „Sie hätten sich den Stoff auch anderweitig besorgt“, sagte der Richter, der den 38-Jährigen auch mit einer Geldstrafe von 1200 Euro belegte. Außerdem wurde er einem Bewährungshelfer unterstellt, und er muss sechs saubere Drogenscreenings vorlegen.
„Die wollen mir ein Ei legen!“
Der Außendienstmitarbeiter hatte in der Verhandlung zunächst abgestritten, die Jugendlichen zwischen Ende 2013 und Mitte 2014 mit Drogen versorgt zu haben. Stattdessen behauptete er, diese für den Eigenkonsum erworben zu haben. „Ich weiß nicht, was die mir für ein Ei legen wollen“, sagte er auf der Anklagebank und vermutete: „Einer der Jungs erzählte mir mal, dass er einem Typen einen Taser an den Hals drückte und ihn zum Oralsex zwang, woraufhin ich ihm Ärger androhte“, berichtete er und meinte, dass dieser ihm deswegen eins auswischen wollte.
Einzig die unentgeltliche Abgabe an einen damals 16-Jährigen, den er als seinen „kleinen Bruder“ beschrieb, gab er zu. „Er hatte sich aber selbst bedient, weil ich den angezündeten Joint auf dem Tisch abgelegt hatte“, erklärte er. „Warum gaben Sie den Joint aus der Hand?“, wollte der Staatsanwalt wissen. Der 38-Jährige erwiderte: „Zum Playstation zocken brauche ich nun mal beide Hände.“ Außerdem sei er ohnehin davon ausgegangen, dass er volljährig gewesen sei. „Er hing ständig in einem Raucherlokal ab und saß an Spielautomaten“, erklärte der Mann, der in der Hoffnung auf ein milderes Urteil nach den Zeugenaussagen dann doch noch alles einräumte. Zuvor hatten sich beide Seiten auf eine Bewährungsstrafe geeinigt.
Playstation spielen und Kiffen
Besonders die Aussage des damals 16-Jährigen war eindeutig. „Ich hatte regelmäßig mitbekommen, wie er den Stoff abwog und ihn in Ein- oder Zwei-Gramm-Portionen verkaufte“, berichtete der Auszubildende aus Leonberg. „Die Leute wussten, wo sie die Drogen bekommen.“ Er habe den Angeklagten mehrmals pro Woche zum „Playstation spielen und Kiffen“ aufgesucht. Allerdings gestand er ein, dass er beim Alter geflunkert habe, als er danach gefragt worden sei.
Die Sache kam nach einem anonymen Hinweis bei der Polizei ins Rollen. Wenig später stellten die Beamten bei einer Kontrolle zwei Gramm Marihuana bei dem 16-Jährigen sicher, der den Angeklagten als Dealer benannte. Daraufhin überwachte die Polizei die Wohnung des Mannes. „Wir hatten einen sehr hohen Personenverkehr festgestellt und die kurzen Aufenthalte der Jugendlichen als Betäubungsmittel-Käufe gedeutet“, erklärte ein Beamter von der Rauschgiftstelle in Böblingen. Die Namen der meisten Käufer waren der Polizei von früheren Drogen-Verstößen bekannt.
Bei der Wohnungsdurchsuchung fand die Polizei neben Joints und 20 Gramm Marihuana auch typische Verkaufsutensilien wie Druckverschlussbeutel und eine Feinwaage. „Das war eine normale Küchenwaage“, rechtfertigte sich der Angeklagte. „Aber sie stand nun mal nicht in der Küche, sondern im Wohnzimmer“, entgegnete der Staatsanwalt. Dem Anwalt stieß die Aussage des Beamten bezüglich einer „Vielzahl an Zip-Tütchen“ übel auf. „Das waren doch nur drei“, sagte er. Bei der Durchsuchung seien die Beamten nicht zimperlich mit dem Mann umgegangen: „Bevor ich mich versah, lag ich schon auf dem Boden.“ Der Kriminalhauptkommissar rechtfertigte das harte Vorgehen: „Der Dealer wurde als gewalttätig eingestuft.“
Wie kam es zum Absturz?
Wie der Angeklagte berichtete, sei er schon früh mit Drogen in Kontakt gekommen. „Mit 13 ging es los, ich habe konsumiert, was der Markt her gab.“ Später sei dann auch noch der Alkohol ins Spiel gekommen. Mit den familiären Problemen wurde es schlimmer. „Mein Sohn sollte zur Adoption freigegeben werden“, erklärte der Mann. „Ich fiel in ein tiefes Loch.“
Die beiden Therapien halfen ihm zwar wieder auf die Beine. Doch ein Autounfall im Jahr 2013 habe ihn wieder zurückgeworfen. Inzwischen habe er Drogen abgeschworen. „Ich habe mich verlobt und eine Arbeitsstelle in einem anderen Bundesland gefunden“, sagte er in der Verhandlung.