Gartenbesitzer und Landwirte sind erbost über die vielen Schäden durch Wildschweine. Doch die Jäger bemängeln, dass das seit einem Jahr gültige Gesetz zur Schonzeit unrealistisch sei. Gerade jetzt seien die Tiere gut erkennbar und leichter zu erlegen.

Leonberg - Wenn Rolf Walz dieser Tage auf seinem Hochsitz im Glemswald sitzt, dann rührt er sein Gewehr nicht an. Zwar ist er einer von vier Jagdpächtern des 800 Hektar großen Gebietes, das von der Kläranlage im Höfinger Täle bis zum Katzenbacher Hof reicht. Doch seit dem 1. März herrscht Jagdruhe. Was den Chef eines Leonberger Metallbau-Unternehmens aber aus der Ruhe bringt. Die Regelung zur zweimonatigen Schonzeit im Wald trat vor einem Jahr mit dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz in Kraft.

 

„Das Gesetz geht völlig an der Realität vorbei“, kritisiert der Jäger. „Uns wird damit die Möglichkeit genommen auszusondern.“ Jetzt im Frühjahr ist der Wald noch kahl, Felder und Wiesen nur niedrig bewachsen. So lassen sich die Wildschweine gut unterscheiden. „Ein führendes Muttertier zu erschießen, ist eine Straftat. Jetzt können wir den Unterschied erkennen. Im April und Mai, wenn die Vegetation angewachsen ist, erkennt man den Bauch und die Brustwarzen nicht mehr“, erklärt Walz.

Jungtiere irren umher und kommen der Stadt sehr nah

Mehr noch: Da die Bachen gerade Frischlinge bekommen, verjagen sie ihre ein Jahr alten Jungtiere. „Ohne Führung des Muttertieres irren sie ziellos umher. So viele Wildschweine in der Nähe von Bebauung wie jetzt sieht man selten“, berichtet der Jagdpächter. Aber genau jetzt seien diese auch einfach zu erlegen. Denn schon Ende Mai, wenn die Frischlinge größer sind, holen sich die Bachen wieder ihre Rotte zusammen. Diese besteht aus 20 bis 40 Tieren und ist dann nicht mehr ziellos.

Im Gegenteil: Wildschweine sind sehr schlau. „Sie wissen genau, dass sie in der Nähe von besiedeltem Gebiet sicher sind“, sagt Walz. Immer öfter wagen sich die Schwarzkittel auch an Leonberg heran, sitzen in den Böschungen entlang der Autobahn, der Straßen, durchwühlen Gärten auf der Suche nach Essbarem. Und sorgen damit für Ärger bei Kleingärtnern, Gartenbaubetrieben und auch Bauern. Das Problem ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden, weil es immer mehr Wildschweine gibt. „Zwischen 600 und 1000 Tieren leben rings um Leonberg herum“, schätzt Walz. Er und seine drei Mitpächter haben seit vergangenem April etwa 60 Tiere geschossen. Weitere 90 waren es im Gebiet um Eltingen. „Wildschweine haben eine exorbitante Vermehrungsrate. Eine Bache bekommt sechs bis zehn Junge pro Jahr“, berichtet der Jäger.

Das bereitet große Probleme bei der Jagd. „Auf der Schwäbischen Alb kann man Drückjagden machen. Aber hier rings um Leonberg würden die Tiere panisch auf irgendeine Straße rennen“, erklärt der Jagdpächter. Einzige Möglichkeit sei die Kirrjagd (von kirren – anlocken), bei der die Tiere auf ein Gelände gelockt werden, auf dem sie sicher erlegt werden können. Aber auch die ist in der Schonzeit nicht zulässig.

Jäger betonen Tierschutz und Generationswechsel

Um ein Tier zu erlegen, benötigen die Jäger zwischen vier und acht Stunden, die sie auf ihrem Hochsitz warten. „Für uns geht aber immer der Tierschutz vor. Wir warten lieber länger und schießen gar nicht, als etwas falsch zu machen“, betont der Jagdpächter. „Es hat ein Generationswechsel stattgefunden. Wir sind sehr bemüht um ein gutes Verhältnis zu allen: den Spaziergängern, den Hundehaltern, dem Amt“, sagt der Leonberger.

So verzichte man auch bestmöglich auf Elektrozäune, um Kinder und freilaufende Hunde nicht zu gefährden. Weniger als fünf Prozent ihrer Zeit verbrächten die Pächter mit dem Schießen. Vielmehr kontrollierten sie das Gebiet und kümmerten sich darum, dass die Tiere sich wohl fühlen – aber weit weg von den Menschen

„Wir legen etwa Salzlecke im Wald aus. Wenn Fellwechsel ist, brauchen die Wildschweine das und holen sich sonst das Streusalz entlang der Straßen“, erklärt Rolf Walz. Auch blaue Reflektoren, die die Tiere von den Fahrbahnen abhalten sollen, zahlten die Pächter, ebenso die Wildschäden.

„Wenigstens unterstützt uns die Stadt, indem sie das Geld aus der Pacht in einem Fonds zur Verfügung stellt“, berichtet der Jäger. Er hofft auf eine Änderung der Gesetze nach der Landtagswahl. Jäger seien weiter unverzichtbar, findet Rolf Walz.