Im Raum der Trauer werden Menschen, die einen Angehörigen verloren haben, professionell begleitet und Perspektiven für einen Neuanfang aufgezeigt.

Leonberg - Es ist eine schlichte Tür aus hellem Holz im ersten Stock des Leonberger Hospiz’, die wir heute öffnen. Der Raum dahinter ist hell und freundlich, der Boden in Holzoptik gehalten. An den cremeweißen Wänden hängen zwei Bilder der Mal-Therapeutin Beau Bijou, auf denen die Farben orange und rot dominieren. Die warmen Farben verleihen auch dem Raum Wärme – eine gute Voraussetzung für das, wofür dieser Raum gedacht ist: Trauergespräche.

 

„Wir wollen den Trauernden eine Atmosphäre bieten, in der sie sich geschützt fühlen“, sagt Daniela John, die nicht nur die Leiterin des Hospiz’ ist, sondern auch zertifizierte Trauerbegleiterin. Aus diesem Grund hängt an der Tür auch ein Schild mit der Aufschrift „Bitte nicht stören“. Um ein Trauergespräch bitten darf jeder, der einen lieben Menschen verloren hat – egal ob den Ehepartner, ein Kind, ein Elternteil, die Großeltern oder einen Freund. Es ist auch egal, wann der Trauernde mit dem Hospiz Kontakt aufnimmt: „Manche kommen ein paar Wochen nach der Beerdigung, andere erst ein halbes Jahr später. Den einen richtigen Zeitpunkt gibt es nicht, das ist individuell verschieden“, sagt Daniela John.

Symbole, die für sich selbst stehen

Häufig legt die Trauerbegleiterin auf einen Tisch Symbole, die sich selbst erklären: eine Blume, die für Leben und Wachstum steht, eine Kerze als Lebenslicht, aber auch als Licht für den Verstorbenen oder Steine, die für das Schwere stehen. Diese Steine sind mit grünem Filz ummantelt, was wiederum Geborgenheit symbolisieren soll, die in diesem Trauergespräch geboten werden soll.

Mit diesen Trauergesprächen macht das Hospiz ein Angebot für Menschen aus dem Altkreis in Ausnahmesituationen. „Viele Hinterbliebene fühlen sich nach dem Tod des Ehepartners oder eines lieben Freundes mit ihren Gefühlen, Wünschen und Ängsten allein gelassen“, weiß Daniela John nur zu gut. Angehörige und Freunde seien oft hilflos und könnten mit dem Kummer und Schmerz des Trauernden nicht umgehen. „Es geht sogar so weit, dass man gut gemeinte Ratschläge bekommt, wie man richtig zu trauern hat, zum Beispiel jeden Tag auf den Friedhof zu gehen“, erzählt die ausgebildete Trauerbegleiterin.

In dem Gespräch mache sie deutlich, dass es beim Thema Trauer kein „falsch“ und kein „richtig“ gibt. „Manchmal kommen Menschen und erzählen, dass sie nicht weinen können“, gibt Daniela John ein Beispiel. Dann gehe es darum, klar zu machen, dass alle aufkommenden Gefühle normal seien. „So unterschiedlich wie die Menschen sind, ist auch die Art der Trauer“, erläutert die 37-Jährige.

„Oberstes Ziel ist, dass sich der Hinterbliebene seiner Trauer selbst nähert“, sagt sie. Als Trauerbegleiter mache man sich gemeinsam mit dem Trauernden auf seinen Weg. „Wir können die Trauer nicht verschwinden lassen, aber dabei helfen, belastende Dinge anzusprechen und gemeinsam neue Perspektiven für das weitere Leben zu entwickeln“, sagt sie. Manchmal stellt sie Körbe im Trauerraum auf, um sortieren zu helfen, welche Themen „jetzt dran sind“. Eine Frau habe sich beispielsweise vor einer langen Autofahrt an den Bodensee gefürchtet, weil ihr Mann immer gefahren sei. „Da hilft es zum Beispiel, wenn ich erzähle, dass eine andere Trauernde Auffrischungsfahrstunden genommen hat.“

Die Trauernden wachsen oft über sich hinaus

Vor dem richtigen Trauergespräch finde zunächst stets ein unverbindliches Gespräch statt, in dem sich Trauernder und Trauerbegleiter kennenlernen. „Danach kann jeder entscheiden, ob er einen Termin ausmachen will oder erst noch einmal in Ruhe darüber schlafen will“, erklärt John.

Menschen, die zum ersten Mal kommen, hätten oft das Gefühl, versagt zu haben, weil sie mit ihrer Trauer nicht allein zurechtkämen. „Dabei beweist das Kennenlerngespräch bereits, dass die Menschen sich aktiv Hilfe organisieren können und den Mut haben, sich zu öffnen“, sagt die Trauerbegleiterin. Die Trauernden könnten dann selbst festlegen, wie häufig sie weitere Gespräche wünschen.

Klar sei, dass alles, was im Trauerraum besprochen werde, auch dort bleibe. Alle Gefühle, auch Wut und Schuld, hätten in dem Raum Platz. Längere Pausen würden keineswegs als unangenehm empfunden. Es werde geweint, aber auch gelacht. „Oft merkt man, wie sich im Laufe eines Gesprächs die Körperhaltung verändert – wer zu Beginn eingefallen wirkte, richtet sich mehr und mehr auf.“

Wenn man am Ende einer Begleitung Bilanz zieht, ist Daniela John oft stolz, wie die Trauernden gewachsen sind. „Ich werde immer wieder inspiriert, wenn ich erfahre, was sie zur Bewältigung alles unternommen haben – vom Besuch einer Ausstellung bis zu Schmetterlingen, die sie am Grab aufsteigen lassen.“