Graue Wolken überm Glemseck und frühherbstliche Nachttemperaturen haben der siebten Auflage des Motorradrennens Glemseck 101 kaum geschadet. Im Gegenteil: so viel internationale Gäste wie noch nie konnten die semiprofessionellen Veranstalter zählen.

Leronberg - Graue Wolken überm Glemseck und frühherbstliche Nachttemperaturen haben der siebten Auflage des Motorradrennens Glemseck 101 kaum geschadet. Im Gegenteil: so viel internationale Gäste wie noch nie konnten die semiprofessionellen Veranstalter zählen. Der einstige Solitudering vibrierte drei Tage und zwei Nächte lang im Zeichen von ursprünglichem Motorsport auf zwei Rädern – und der dazugehörigen Subkultur.

 

Auch die verantwortlichen Bernhards in der Kommunalpolitik haben Blut geleckt, vielleicht auch Benzin im Blut. Oder sie verstehen einfach, welchen Wert ein solcher Publikumsmagnet für Leonberg und den Landkreis hat. Sowohl der Leonberger Oberbürgermeister Bernhard Schuler als Schirmherr wie auch der Landrat Roland Bernhard sind leidenschaftliche „Glemseck“-Fans. Der Landrat wagte in diesem Jahr sogar einen Start beim „Cafe-Racer-Sprint“. Dabei geht es um einen Beschleunigungscontest über eine Achtelmeile auf der historischen Solitude-Zielgerade. „Im vergangenen Jahr habe ich das mit dem Elektro-Moped aus Spaß gemacht. Aber das ist ja gar nichts, deshalb wollte ich das unbedingt mit einer richtigen Maschine ausprobieren“, sagte der Landrat Roland Bernhard. Praktischerweise organisiert Jörg Litzenburger, der Suchtbeauftragte seiner Behörde, in seiner Freizeit zugleich das Glemseck-101-Festival. So fand sich sowohl ein Startplatz als auch ein Gegner: Eben Jörg Litzenburger, der mit dem Glemseck 101 offensichtlich seinen Traum vom perfekten Lebensstil verwirklicht hat: echte, ursprüngliche Motorräder, harte, aber herzliche Jungs – und ganz viel Rock’n’Roll und Retro-Lebensstil der Fünfziger.

Nur die eine goldene Grundregel der Betriebsausflüge hat Litzenburger offensichtlich nicht beachtet: Lass deinen Chef immer gewinnen . . . „Am Anfang kam ich gut weg, das Drehmoment meiner Leihmaschine war wirklich eindrucksvoll“, kommentierte Landrat Bernhard seinen Start, „doch dann zog Litzenburger am Ende vorbei. Der hat wohl noch mal hochgeschaltet.“

Landrat, OB und Bürgermeisterin sind am Start

Vielleicht lag es am Ende doch am „Flag-Girl“ das, wie bei den Renn-Underdogs üblich, das Startsignal gab: Es war Leonbergs Erste Bürgermeisterin Inge Horn. Ihr Lippenstift war aber nicht ganz so rot wie der von den ganz und gar in 50er-Jahre-Klamotten gewandeten Starthelferinnen.

Genau das gehört allerdings zu einem Cafe-Racer dazu: Ein Motorrad mit möglichst viel Patina, dem man die monatelange Tuning-Arbeit nicht ansieht. Als Rennkombi genügen Jeans, Lederjacke und ein klassisch offener Jethelm. Einzig Conor Cummins, der Profi-Rennfahrer von der Isle of Man und dortiger Streckenrekord-Halter, fuhr im geschlossenen Helm – und hatte riesigen Spaß bei den kurzen Anfahrproben.

Doch scheint er eher ein Kurvenspezialist zu sein. Auf dem legendären TT-Ring auf der irischen Insel Isle of Man hat der Inseljunge tatsächlich ein Durchschnittstempo von 210 km/h hingelegt. Am Glemseck schied er allerdings im Halbfinale aus. „But it ist absolutely funny“, rief er lachend unter seinem Helm hervor.

Auch der europaweit bekannte Ducati- Tuner Pepo Rosell aus Madrid hatte nicht die allerbesten Karten. Dem lustigen Spanier half nicht einmal eine aerodynamisch optimierte Kennzeichenhalterung – er hatte sich das Nummernschild kurzerhand mit Klebeband auf den Rücken gepappt.

Markentreffen der Kultmarke Triumph

Den Triumph holte sich einer der größten Fans der gleichlautenden Marke. Der deutsch-österreichische Drehbuchautor Uli Bree organisiert sonst selbst ein Markentreffen der österreichischen Kultmarke Triumph. Er lobte seinen Motorradfreund Litzenburger überschwänglich: „Was ihr hier auf die Beine stellt, ist einzigartig in Europa.“ Zur Freude der gut 3000 Zuschauer bat er beim Sprint-Rennen seinen Finalgegner Christoph Schenk um einen Motorradtausch: „Damit wir wissen, ob der Fahrer oder die Maschine besser war.“ Danach sagte Litzenburger als Rennleiter zwar, dass „wir nun nicht schlauer sind“, einen riesigen Applaus gibt es aber dennoch für alle. Und Bree erklärte am Seitenstreifen unterm Zeitmesserturm das Geheimnis der Szene und vielleicht auch den Erfolg von Glemseck 101: „Motorradfahren muss puristisch sein, man braucht dazu keine Warnwesten oder Heizgriffe.“ Tatsächlich zog beim nachfolgenden Sprintrennen der Finne Janne Kosonen mit einer fast 20 Jahre alten 750er- Ducati mit gerade einmal 65 PS allen davon.