LKZ-Gespräch.
Günther Wöhler, der Gründer der Leonberger Notfallklinik und SPD-Kreisrat, sieht die 60-Millionen-Investition ins Krankenhaus als vertrauensbildende Maßnahme. Einen Neubesetzung der Chefarztstelle in der Chirurgie hält der Mediziner für dringend erforderlich.

Leonberg - Trotz aller gebotenen Vorsicht: Der Leonberger SPD-Kreisrat und Allgemeinmediziner Günther Wöhler glaubt an eine gute Zukunft für das Krankenhaus in Leonberg. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er, warum.

 
Herr Wöhler, die Ansiedlung eines Strahlentherapiezentrums neben dem Krankenhaus scheint gesichert. Ist das ein Vorteil für den Medizinstandort Leonberg?
Auf jeden Fall! Schwerkranke Patienten müssten in Zukunft nicht von Leonberg in die geplante Großklinik am Böblinger Flugfeld verlegt werden. Das ist für den Standort gut wie auch für die Patienten.
Diskussionen gibt es noch über die künftige Bettenzahl des Krankenhauses. 200, so wie Mediziner und verschiedene Kommunalpolitiker fordern, soll es nicht mehr geben.
Das ist in der Tat ein Knackpunkt. Im Moment haben wir eine durchschnittliche Belegungszahl von 170. Das scheint relativ niedrig, liegt aber daran, dass viele Patienten, aber auch die Krankenkassen als Kostenträger, auf eine Entlassung zum Wochenende drängen. Dadurch haben wir am Wochenende oft Leerstände zu Lasten der Belegungsstatistik, werktags aber sind die Stationen oft überbelegt. Allerdings ist die Tendenz, möglichst viel ambulant statt stationär zu behandeln und auch die immer kürzere Verweildauer stationärer Patienten der Anlass, bei allen Krankenhäusern über die Bettenzahl nachzudenken.

„Die Investitionen sind eine vertrauensbildende Maßnahme“

Trotzdem gibt es Befürchtungen, dass immer mehr Patienten in die künftige Zentralklinik verlegt werden sollen.
Die Flugfeldklinik ist mit rund 700 Betten geplant. Das sind etwa 20 weniger als die beiden Krankenhäuser in Böblingen und Sindelfingen schon jetzt haben. Das bedeutet, dass die neue Klinik nicht so einfach Patienten aus Leonberg absaugen kann. Ich würde das als vertrauensbildende Maßnahme bezeichnen. In diese Kategorie ordne ich übrigens auch die vorgesehenen Investitionen von rund 60 Millionen Euro ein.
Geplant waren 70 Millionen.
Die Reduzierung ist vor allem darauf zurückführen, dass nun die Psychosomatik als Außenstelle des Zentrums für Psychiatrie in Calw-Hirsau in den neuen Anbau des Krankenhauses kommt. Träger der Psychiatrie ist das Land. Also zahlt das auch den Anbau. So sparen wir im Kreis rund zehn Millionen Euro ein. Die Psychosomatik wiederum kann sich in einem Neubau ganz anders entfalten.

„Ein Chefarzt ist ein Aushängeschild“

Dennoch gibt es einen weiteren wichtigen Punkt, über den bereits jetzt diskutiert wird: die Neubesetzung des Chefarztes in der Klinik für Allgemeinchirurgie. Der Amtsinhaber Karl Josef Paul geht in anderthalb Jahren in den Ruhestand.
In der Tat brauchen wir dort einen Chefarzt als renommiertes Aushängeschild. Ein Oberarzt, der einem Böblinger Chefarzt untersteht, hätte womöglich nicht die nötige Loyalität zum Leonberger Haus.
Barbara John, die Chefin der Inneren Klinik, plädiert vehement für die Wiederbesetzung.
Mit Recht. Beide Abteilungen arbeiten eng zusammen, Frau Dr. John braucht einen kongenialen Partner. Immer nur mit einem Stellvertreter, das wäre nicht gut. Außerdem würden wir riskieren, dass sich viele Privatpatienten in Richtung Stuttgart orientieren. Und das schadet dem Klinikverbund insgesamt.

„Die Norwegen-Fahrt war keine Lustreise“

Unlängst haben sich Kreisräte und andere Verantwortliche ein modernes Krankenhaus in Norwegen angeschaut. Die Reisekosten für 25 000 Euro kommen in der Öffentlichkeit nicht gut an.
Es war ein sehr enges Programm binnen zwei Tagen, bei dem uns ein modernes Planungsverfahren vorgestellt wurde, mit dem man wesentlich effizienter bauen kann. Das war alles andere als eine Lustreise. Das Geld ist deshalb gut investiert. Wir haben uns auch moderne Kliniken in Winnenden, Villingen-Schwenningen und Stuttgart angeschaut.
Gegen den Bau einer Großklinik am Flugfeld regt sich nicht nur in Leonberg Widerstand, sondern mittlerweile sogar in Böblingen.
Die Entscheidung für die Flugfeldklinik ist bereits 2014 im Rahmen der Verabschiedung des Medizinkonzepts für alle Kreiskliniken getroffen worden. Dass Leonberger Bürger daraus nur die Punkte wahrgenommen haben, die auf die Existenz des Leonberger Krankenhauses Einfluss haben, ist nachvollziehbar. Aber es ist völlig unberechtigt, jetzt so zu tun, als würde man von einer Entscheidung überfahren.
Es gibt ernsthafte Hinweise, dass eine Sanierung des Böblinger Krankenhauses womöglich die bessere Lösung gewesen wäre.
Das Aufrechterhalten von Doppelstrukturen in einer zusammengewachsenen Stadt Sindelfingen-Böblingen mit zwei renovierungsbedürftigen Krankenhäusern, von denen keines ein vollständiges medizinisches Spektrum bietet, ist unnötig teuer und bietet nicht die optimalen medizinischen Möglichkeiten, wenn Patienten fachübergreifend versorgt werden müssen. Eine Fusion ist deshalb sinnvoll. Die Möglichkeit, eines der beiden Häuser aufzugeben und das andere auszubauen, wurde geprüft und wäre wohl am Standort Böblingen möglich gewesen. Die Vorstellung, eine Klinik über mehrere Jahre im laufenden Betrieb derart umfangreich umzubauen, ist allerdings abenteuerlich und würde wieder zu Bürgerprotesten wegen der Beeinträchtigungen führen.

„Kein Stadtrat könnte sich auf die Straße trauen“

Es geht ja auch um lokale Animositäten zwischen Böblingen und Sindelfingen. . .
Die politische Machbarkeit für die Schließung des Krankenhauses Sindelfingen zugunsten von Böblingen oder umgekehrt war nicht gegeben. Wir erinnern uns an die berechtigte Protestbewegung in Leonberg, als es lediglich um eine Reduktion der Größe und des medizinischen Angebots unserer Klinik ging. Den Sturm der Entrüstung in Böblingen bzw. Sindelfingen kann man sich vorstellen, wenn es zu einer Schließung zugunsten der Konkurrenzstadt käme. Kein Stadtrat oder Oberbürgermeister könnte sich noch auf die Straße trauen.
Die Kritik richtet sich vor allem gegen den Standort, der von einer Autobahn und einer Eisenbahnlinie umringt ist.
Die Anforderungen an den Standort dürfen nicht mit dem Bau einer Kurklinik verglichen werden, wo Grünflächen und Spazierwege die Behandlung ergänzen. In Akutkliniken hat sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Jahren seit dem Bau des Sindelfinger Krankenhauses gedrittelt und liegt unter einer Woche. Wer das Bett verlassen kann, wird entlassen. Wichtiger ist heute die optimale räumliche und organisatorische Verzahnung der verschiedenen Arbeitsbereiche und eine gute Verkehrsanbindung.

„Die Leonberger Abgeordneten bleiben wachsam"

Viele sehen das Projekt, das nach jetzigem Stand fast eine halbe Milliarde Euro kostet, als politisches Prestigeprojekt.
Das ist nicht so. Bei der konkreten Umsetzung des Bauvorhabens werden neben den Baufachleuten auch die dort künftig arbeitenden Menschen – Ärzte, Pflegepersonal, Verwaltung und die künftigen Patienten, die Bürger von Böblingen und Sindelfingen in Arbeitsgruppen einbezogen. Mitgestalten ist hier politisch gewünscht und nicht nur eine Alibiveranstaltung.
Befürchtungen, dass der Neubau den kleinen Häusern schadet, gibt es unverändert.
Nach wie vor gilt, dass der Aufbau der Flugfeldklinik nicht zu Lasten der Häuser in Leonberg und Herrenberg gehen darf. Dass die Kapazität der Flugfeldklinik unter der bisherigen Bettenzahl von Böblingen und Sindelfingen liegt, macht solche Aussagen glaubhaft. Trotzdem bleiben wir Leonberger Kreistagsabgeordneten wachsam.