Der Vize-Ministerpräsident Nils Schmid besichtigt das Layher-Areal und diskutiert über sozialen Wohnungsbau in der Region. Damit will seine Partei im Wahlkampf-Endspurt punkten und sich doch noch aus dem Umfragetief herausarbeiten.

Leonberg - Die Sonne strahlt über Leonberg, die Altstadt mit Schloss und Pomeranzengarten wird genauso in goldenes Licht gehüllt wie die Brache in der Mitte der Stadt. Nils Schmid läuft beim Ortstermin über den Eltinger Fußweg und wirft den Blick über das wohl wichtigste Bauland der Kommune. „Wir hätten das Gebiet gerne behalten“, erklärt die SPD-Fraktionschefin Christa Weiß dem Spitzenkandidaten, der mit chronisch schlechten Umfragewerten kämpft.

 

Hier in Leonberg scheint der Wirtschafts- und Finanzminister ein Thema entdeckt zu haben, das die Herzen der Genossen wärmt und brandaktuell ist: die Wohnungsnot in der Region. Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn hat die Umlandstädte eben erst aufgefordert, beim sozialen Wohnungsbau nachzulegen. „Wir werden am Stadtpark ebenfalls sozialen Wohnungsbau betreiben“, antwortet Christa Weiß auf eine Nachfrage von Nils Schmid, als die Gruppe Richtung Rathaus marschiert.

Plädoyer für sozialen Wohnungsbau

Der 42-Jährige spricht etwas sperrig vom Wohnungsbauförderprogramm, dem Wohnungsbau-Beschleunigungsgesetz und Sonderabschreibungen für den privaten Wohnungsbau. Keine Frage, der Sozialdemokrat kennt sich mit allen Verästelungen der Landespolitik aus und vertieft sich mit der Wahlkreiskandidatin Angelika Klingel fast in ein Fachgespräch. Dann geht es um das Postareal und die Stadtachse in Leonberg. Viele Details.

Vielleicht steckt ihm auch noch die Aufsichtsratssitzung der Landesbank LBBW vom Vormittag in den Knochen. Sparsam in der Gestik tritt Schmid auf, manchmal fast in sich versunken, die Augen dennoch hellwach. Am Vormittag hat er sich – zum Thema passend – mit der für Städtebau zuständigen Bundesministerin Barbara Hendricks getroffen und auch mit ihr Fachdetails besprochen. „Wir müssen die Vorschriften für urbanes Wohnen entschärfen“, sagt Schmid. Sprich: Wer mitten in die Stadt zieht, für den soll es mit dem Lärmschutz etwas lockerer zugehen.

Je länger der Spaziergang dauert, desto mehr taut der SPD-Landeschef auf. Klar, die Umfragewerte seien schlecht, räumt er ein, aber: „Die Stimmung ist weitaus besser.“ Verzagen ist seine Sache nicht, Schmids Strategie für die letzten drei Wochen ist klar: die Arbeit der SPD-Landesminister herausstreichen. „Unsere gute Bilanz wird von der Flüchtlingsdiskussion überlagert“, sagt der 42-Jährige.

Später beim Pressegespräch in der Redaktion wird Schmid nachdenklich. Das Thema treibt ihn um, nicht nur weil seine Frau Tülay ein gelungenes Beispiel für Integration ist. Die anfängliche Steifheit ist wie weggeblasen, Schmid blickt den Gesprächspartner offen an und sagt dann fast philosophische Sätze. So zitiert er den französischen Schriftsteller Ernest Venan: „Eine Nation ist ein tägliches Plebiszit.“ Wie eine Gesellschaft über Flüchtlinge spreche, das sage viel aus über den Zustand derselben. „Ich kenne einen deutschstämmigen Palästinenser, der hier als hoch begehrter IT-Experte arbeitet“, erzählt Schmid von einer der vielen Wahlkampfbegegnungen, „jetzt kehrt er zurück nach Ramallah, weil er Sprüche über den Islam und Araber nicht mehr hören kann.“

Sorge um die Stimmung im Land

Diese Sorge treibt Nils Schmid jenseits von Wahlkampfrhetorik oder taktischen Erwägungen um – und das erklärt vielleicht auch seine scharfe Ablehnung, sich mit dem AfD-Spitzenkandidaten Jörg Meuthen im SWR an einen Tisch zu setzen. „Die AfD ist eine rechtsradikale Partei, die mit bürgerlichen Parolen daherkommt“, betont der Spitzenkandidat entschieden.

Aber dem Minister ist auch klar, dass das Flüchtlingsthema nicht nur der CDU, sondern ebenso seiner Partei schadet. Und so kommt er wieder zurück auf den sozialen Wohnungsbau, gerade angesichts der Flüchtlingskrise. „Wir müssen verhindern, dass gegeneinander ausgespielt wird“, sagt er. Bezahlbarer Wohnraum für alle sei entscheidend. Das Land gebe mit 90 Millionen Euro doppelt so viel aus wie zuvor – doch auch die Kommunen müssten mitziehen. Christa Weiß hat’s vernommen, um es in den lokalpolitischen Diskurs einzubringen.

Mit solchen Themen will die SPD wieder auf ihre soziale Kompetenz verweisen und die Aufmerksamkeit von der Flüchtlingsdebatte auf die Landespolitik lenken. Deswegen glaubt Nils Schmid noch an eine Machtperspektive für Grün-Rot: „Jetzt kommt erst die heiße Phase der Mobilisierung, es ist noch alles möglich.“