Mit seinem autobiografisch geprägten Programm „Adam & Erdal“ unterhält Özcan Cosar zwei Stunden lang sein Publikum im Theater im Spitalhof glänzend. Der Stuttgarter Komödiant war sogar schon Deutscher Meister im Breakdance.

Leonberg - „Sehr kontrollierter Applaus.“ Mit diesen Worten hat der Stuttgarter Kabarettist Özcan Cosar am Dienstagabend sein Publikum im Theater im Spitalhof begrüßt. Doch zwei Stunden später ist der Applaus nicht mehr kontrolliert: Die große Mehrheit von Cosars Gästen hat sich köstlich über das Multitalent und sein Programm „Adam & Erdal“ amüsiert.

 

Nicht umsonst hat Cosar einen Preis nach dem anderen eingeheimst. Den jeweils ersten Platz beim Trierer Comedy Slam, bei „Kunst gegen Bares“, beim Comedy Slam 2012, beim NDR-Comedy Contest. Vor zwei Jahren erhielt er auch noch den Förderpreis beim Kleinkunstpreis Baden-Württemberg und 2014 den Publikumspreis beim Prix Pantheon.

Ein schwäbischer Türke und seine Erfahrungen

Deftig gewürzte Schmankerln aus dem deutsch-türkischen Alltag hat der in Zazenhausen und Stuttgart-Hausen aufgewachsene 34-Jährige serviert und sich dabei ganz schlicht an seinen ureigenen Erfahrungen als schwäbischer Türke entlanggehangelt. „In der ersten Hälfte lachen Sie für zehn Euro, danach für acht“, gibt der Comedian den Takt vor. Und lässt es dann ordentlich krachen, wenn er einen großen Bogen schlägt von seiner Jugend unweit eines „Assi-Spielplatzes“ – „da gab es mehr Kippen als Sandkörner“ – über die Entscheidung, Deutscher zu werden bis hin zu seinem Leben als Ehemann und Vater.

In seinen erzählten, getanzten, besungenen und beklampften Anekdoten wird Cosar mal zur kämpferischen Samenzelle, die energisch agierend rund sechs Millionen Konkurrenten hinter sich lässt, mal zum rappenden Goethe. Er lässt Sarrazin aufleben und baut die Kanzlerin in seine lässigen Erzählungen ein. Er erinnert sich an eine perfekte Kindheit, bis zu dem Tag, als sein Vater ihm, dem damals Dreijährigen, eröffnet: „Du bist Türke“.

Keiner will mit dem Jungen spielen

„Plötzlich war ich Türke, ein Nachwuchsasozialer und keiner wollte mehr mit mir spielen“, jammert er. Macht die Unterschiede zwischen der deutschen und türkischen Mimik lebendig, kalauert im „Türkensprech“ à la „Isch geh mal Golfplatz, Alder“, den auch deutsche Jugendliche so gern nutzen. Lässt sein Publikum teilhaben an seiner Wandlung vom Türken zum Deutschen – und damit an all den Vorurteilen, Klischees und Stereotypen, die gemeinhin unsere Köpfe besetzen.

Özcan Cosar, der nach der Mittleren Reife eine „Zahnarzthelferinnenausbildung“ machte, dann aber als Kellner, Moderator und Breakdancer arbeitete – 2000 war er dabei Deutscher Meister –, ist ein begnadeter Imitator, stimmlich wie tänzerisch, und ein begabter Schauspieler und Sänger. Dass er ein so exzellenter wie kluger Beobachter ist, zeigt sich während des ganzen aberwitzig-frechen Programms.

Zum Thema „Schaukelarme“

Etwa wenn er tanzt und singt wie seine Onkels anlässlich seiner eigenen Beschneidungszeremonie in der Türkei oder wenn er jene mal grotesken, mal dämlichen Tanzstile imitiert, die er bei seiner Arbeit als Kellner in einer Bar immer wieder beobachten konnte, etwa den „suchenden Fuß“ oder die „Schaukelarme“.

Wenn er die hormonell gesteuerten Umtriebe seiner männlichen Kneipengäste beim Anbaggern der weiblichen nachahmt, gibt es kein Halten mehr. Ebenso, wenn er den griechischen Vater der einstigen Freundin imitiert, den arabischen Stalljungen, den französischen Erfinder der Antibiotika, die schwäbischen Bierkumpane oder den dauernuschelnden Durchschnittspiloten, den noch nie irgendein Passagier verstanden hat. Wenn er einen russischen Fluch ausstößt, in astreinem Cockney-Englisch parliert oder vorführt, warum er das Chinesische eher unsexy findet. Der Mann könnte Dolmetscher sein.

Das alles macht der sympathische Adam-Erdal so entspannt, dass man wirklich meinen könnte, ihm fielen seine urkomischen Erzählungen und grotesken Späße just im Moment des Plauderns ein – in das auch das Publikum mit einbezieht.

Auch wenn Cosars Sprüche angesichts der Thematik bisweilen unter der Gürtellinie angesiedelt sein müssen, wird er nie bösartig. Selbst seine schwulen Freunde könnten über seine Schwulenwitze lachen, behauptet Cosar und fügt frech hinzu: „Die stehen hinter mir.“ Spätestens nach der Darstellung eines frisch verliebten Türken respektive Deutschen, ist das Leonberger Publikum dem Komödianten verfallen. Noch nie hat man so sehr zwei Menschen Disco Fox tanzen sehen, wo doch in Wahrheit nur ein Derwisch auf der Bühne war.