enn die Kleinen dem Nikolaus begegnen, sind sie meist fasziniert von der Magie dieser Person. Bei Erwachsenen weckt er in den meisten Fällen freudige Erinnerungen, aber manchmal auch an sein Wirken als Bestrafer böser Jungen und Mädchen.

Leonberg - Es gibt nichts Schöneres als leuchtende Kinderaugen“, sagt der Nikolaus und seine Augen strahlen dabei ebenfalls vor Freude. Vorsichtig packt er Dutzende Schokoladen-Nikoläuse in seinen geräumigen Sack. Denn heute ist sein großer Tag, auf den er sich das ganze Jahr über freut – er darf die Kinder beschenken.

 

In diesem Jahr sind die süßen Gaben in dem großen Sack aus fair gehandelter Schokolade. „Auf einem meiner früheren Gänge haben Kinder ein Gedicht vorgetragen, das uns auf den Gedanken gebracht hat, mit unseren Gaben auch anderen zu helfen“, verrät der bärtige Nikolaus: „Lieber heiliger Nikolaus,/ komm doch heut in unser Haus,/ Lehr uns an die Armen denken, /lass uns teilen und verschenken, /Zeig uns, wie man fröhlich gibt,/ wie man hilft und wie man liebt.“

Myra liegt in der heutigen Türkei

Mit Genugtuung stellt der Nikolaus fest, dass die Schokoladenfiguren, die er in seinem Sack verstaut, ihn so zeigen, wie er sich gern sieht – als Bischof mit Mitra und Stab. „Ich habe nämlich in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts als Bischof von Myra gewirkt. Das liegt in der kleinasiatischen Region Lykien, die damals Teil des Römischen, später des Byzantinischen Reichs war, heute liegt es in der Türkei. Mein Name bedeutet im Griechischen Sieger des Volkes“, erzählt der Nikolaus. Das sei aber schon so lange her, dass heute kaum noch etwas aus seinem Leben bekannt sei.

Woran sich die Menschen erinnern, das sind die Wunder, die Nikolaus zugeschrieben werden. Dazu zählt, dass er Unschuldige vor der Hinrichtung bewahrt, Schiffern in Seenot geholfen, während einer Hungersnot Getreide vermehrt, ermordete Jugendliche zum Leben erweckt hat. Immer wieder hat er sich als ein Freund und Beschützer der Kinder gezeigt. „Ich bin also doch mehr als nur eine Plüschmütze und ein roter Mantel“, sagt der Nikolaus heute.

Den Brauch, nachts etwas in die Schuhe zu füllen, basiert auf der Legende von den drei Jungfrauen, die vom Nikolaus mit Geld beschenkt wurden, damit sie nicht als Prostituierte arbeiten mussten. Ursprünglich war der Nikolaustag am 6. Dezember auch der Tag der Weihnachtsbescherung. Weil die Reformation die Heiligenverehrung ablehnte, wurde die Bescherung in vielen Ländern auf Weihnachten verlegt und der Nikolaus vom Christkind abgelöst.

Karriere beginnt am Bodensee

Der Nikolaus, dem man heute in Leonberg begegnen kann, hat seine Karriere vor 35 Jahren als Ministrant in seiner Heimatstadt Friedrichshafen begonnen. „Allerdings nicht als Nikolaus, das war mein größerer Bruder, sondern als sein Gehilfe Knecht Ruprecht.“ Besonders interessant gewesen seien die Besuche im französischen Kindergarten oder bei Familien in der französischen Garnison, die nur den „Papa Noël“, den Weihnachtsmann , kannten.

In Leonberg hat der Nikolaus sein Wirken begonnen, als seine heute 18-jährige Tochter gerade drei Jahre alt war. „Wie viele Kinder in dem Alter war sie so fasziniert von der Magie, die diese Figur ausstrahlt, dass sie die einzige in der Kindergartengruppe war, die mich nicht erkannt hat“, erzählt der Nikolaus. Immer habe er sich gewehrt, die Rolle des „Bestrafers“ anzunehmen, denn der Nikolaus stehe für Teilen und Gerechtigkeit und sei Freund der Kinder. Zu den schönen Erfahrungen als Nikolaus zählten auch die Besuche im Sonnenschein- und im Schopflochkindergarten sowie im Ludwig-Wolker-Kinderhaus. „Doch die haben heute alle ihre eigenen Nikoläuse“, sagt der Gabenbringer.

Beeindruckt sei er von einigen muslimischen türkischen Familien gewesen, deren Kinder vor etwa zehn Jahren den Sonnenscheinkindergarten besucht haben, schwelgt der Nikolaus in seinen Erinnerungen. Die Jungs seien an dem Tag immer in ihren festlichen Beschneidungsgewändern gekommen, dann wurden Fotos mit dem Nikolaus gemacht und in die Heimat geschickt – die habe ganz in der Nähe des ehemaligen Myra, der Wirkungsstätte des Nikolaus, gelegen.

Interessant seien auch die Reaktionen der Erwachsenen, wenn sie dem Nikolaus begegnen. „Meist ist es ein freudiges Lächeln“, hat er festgestellt. Manchmal seien es auch traumatische Erinnerungen, wie bei der Frau, die im Heim aufgewachsen ist. Dort habe der Nikolaus Nüsse gestreut und als die Kinder danach griffen, habe er ihnen auf die Finger getreten. „Das war bestimmt nicht der richtige Nikolaus“, sagt Jürgen Oettel. Der katholische Pastoralreferent ist am Donnerstag in Leonberg als Nikolaus um 15 und 16 Uhr im Leo-Center anzutreffen.