Der Erfolg der AfD gibt Rätsel auf – in Pforzheim hat sie ein Direktmandat, im Enzkreis 19 Prozent, auch in Leonberg und Böblingen marschiert sie durch. Woran liegt der Erfolg? Erklärungsversuche der etablierten Parteien laufen ins Leere.

Leonberg/Enzkreis - Bestürzung, aber auch der Aufruf zur konstruktiven Mitarbeit im neu gewählten Landtag – so haben die Kandidaten auf den Erfolg der Alternative für Deutschland (AfD) reagiert. Immerhin hat die Partei bei ihrer ersten Landtagswahl in Baden-Württemberg 15,1 Prozent geholt, in den hiesigen Wahlkreisen 14 (Leonberg) beziehungsweise stolze 19,2 Prozent (Enzkreis).

 

Bernd Murschel, der für die Grünen das Direktmandat in Leonberg geholt hat, findet die 15,1 Prozent für die AfD „viel zu viel“. „Das zeigt, dass es beim Thema Flüchtlinge viel Protestpotenzial gibt“, lautet seine Einschätzung. Jetzt ist die Partei aber nun mal drin im Landtag. „Sie muss jetzt sehen, dass sie konstruktive Politik über das eine Thema hinaus macht“, fordert er. Auch der FDP-Kandidat Hans Dieter Scheerer sieht im Erfolg der Rechtspopulisten vor allem einen monothematischen Protest. „Ich habe im Wahlkampf viele Gespräche mit Menschen geführt, die offen gesagt haben, sie wählen die AfD, um es den anderen Parteien zu zeigen“, erzählt der Weil der Städter. Die hohe Zustimmung zu dieser Partei habe ihn erschreckt.

Als „Erschütterung des Abends“ bezeichnet die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Kurtz die 15,1 Prozent für die AfD.. Das sei besorgniserregend, aber auch ein Zeichen, dass die etablierten Parteien nicht mehr alle Menschen erreichten. „In Zeiten von großen Koalitionen hat sich die Opposition immer besonders als außerparlamentarische Opposition gebildet“, lautet ihr Erklärungsversuch.

Dass die Alternative für Deutschland in vielen Wahlbezirken sogar noch vor der SPD lag, schmerzt Angelika Klingel besonders. „Das macht mir wirklich Angst. Ich halte das für gefährlich für unser Land“, sagt die Heimsheimerin, die im Wahlkreis Leonberg für die Sozialdemokraten kandidiert hat. Mit 11,3 Prozent hatte sie weniger Stimmen auf sich vereint als der AfD-Kandidat Miguel Klauß (14 Prozent). Nun, als Landtagspartei, könne die AfD ihre Themen und Anträge im Plenum einbringen. Doch die politischen Ziele der AfD seien ausländer- und frauenfeindlich, sagt die Geschäftsführerin der Evangelischen Müttergenesung.

Noch sitzt der Schock bei den etablierten Parteien tief. Doch schon bald werden sich Grüne, CDU, SPD und FDP mit der neuen Partei im Landtag auseinandersetzen müssen. Und nicht nur das. „Wir müssen uns alle überlegen, was wir falsch gemacht habe. Und sehen, wie wir das wieder hinkriegen“, benennt FDP-Mann Scheerer die große Herausforderung.

Besonders betroffen ist man im Enzkreis, wo die AfD 19,2 Prozent erreicht hat. In Pforzheim schaffte die Partei sogar ein Direktmandat. Die CDU-Abgeordnete Viktoria Schmid, die durch den Vormarsch der Rechtspopulisten ihr Mandat verliert (siehe Artikel auf Seite IV), zieht einen historischen Vergleich: „Die Gegend um Pforzheim war schon immer eine rechte Hochburg. Das war in den 30er-Jahren so, in den 60ern mit der NPD und in den 90er-Jahren mit den Republikanern“, sagt sie. Eine rechte Erklärung hat sie dafür nicht.

Der ebenfalls gescheiterte SPD-Kandidat Thomas Knapp verweist darauf, dass in den 90er-Jahren die Gegend um Pforzheim herum eine besonders hohe Arbeitslosigkeit gehabt habe. „Aber dieses Argument zählt jetzt eigentlich nicht mehr“, räumt Knapp ein. Es habe auch keine größeren Probleme mit Flüchtlingen gegeben.

Und was sagt die AfD selbst dazu? Der Leonberger Kandidat Miguel Klauß ist abgetaucht und reagiert seit Tagen nicht auf Presseanfragen. Der gewählte AfD-Abgeordnete im Enzkreis, Bernd Gögel, sagt offen: „Es gibt in Pforzheim im Stadtteil Buckenberg viele Russlanddeutsche.“ Bei den Aussiedlern habe die Partei fast 44 Prozent erreicht. Gögel ist auch Kreisvorsitzender der AfD – kann aber keine Fortführung früherer rechter Parteien erkennen.