Ein 63-Jähriger steht wegen versuchten Totschlags vor Gericht. Das Tatmotiv war offenbar Eifersucht.

Leonberg - Sie habe noch ein Gläschen mit einem früheren Arbeitskollegen ihres Mannes in der Küche trinken wollen, schildert die 46-Jährige vor Gericht die Situation. Wenig später habe sie um ihr Leben gekämpft, als ihr Ehemann sie fast zur Bewusstlosigkeit gewürgt habe. „Ich dachte, jetzt ist es vorbei“, sagt die Frau aus Renningen, die nur durch das beherzte Eingreifen des Bekannten vor Schlimmerem bewahrt wurde. Jetzt muss sich der 63-Jährige vor dem Stuttgarter Landgericht wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten.

 

„Hey Alte, ich bringe dich um!“ – diese Worte ihres Ehemannes würden sie noch bis heute verfolgen, sagt die Frau beim Verhandlungsauftakt . Ganz schwarz sei es ihr damals vor Augen geworden, als der Angeklagte ihren Hals fest umklammert habe. Später kam die Renningerin mit mehreren Prellungen am Kopf und Kiefer ins Krankenhaus. „Ich konnte tagelang nicht richtig schlucken“, erzählt die Frau.

Schuld daran soll ihr 63 Jahre alter Ehemann sein, der seit dem Vorfall im Juli in der Untersuchungshaft in Stammheim sitzt. Bei seiner Vernehmung klagt der Rentner über Erinnerungslücken. „Ich weiß nur noch, dass ich aufgewacht bin und aufs Klo wollte, dann sah ich die beiden zusammen in der Küche und bin wohl ausgerastet“, sagt der Mann, dessen Erinnerung laut eigener Aussage erst wieder im Krankenhaus eingesetzt habe. Der Anblick der beiden habe nämlich „unschöne Erinnerungen“ bei ihm geweckt. „Ich hatte meine Frau schon mal mit einem anderen fast in flagranti erwischt“, berichtet der gelernte Industriekaufmann.

„Hilfe, er bringt sie um!“

Ihr Mann habe daraufhin den Bekannten aus der Wohnung geworfen. „Dann schmiss er mich auf den Boden und versuchte auch mich, in Richtung der Haustür zu zerren“, erzählt die 46-Jährige vor Gericht. Als dann beide zu Boden gingen, schnitt sich der Angeklagte vermutlich an einer Glasscherbe eine Vene auf, weshalb er stark blutete. Nachdem es der Frau gelungen sei, sich an einer Couch festzukrallen, habe er sich über sie gekniet und begonnen, sie mit beiden Händen zu würgen.

Die Renningerin erinnert sich: „Ich weiß noch, wie mein Sohn im Hintergrund ‚Hilfe, er bringt meine Mutter um!’ geschrien hat.“ Eben diese Schreie riefen dann den Bekannten auf den Plan, den der Sohn kurze Zeit später wieder in die Wohnung hereinließ. „Ich zerrte ihn vor ihr weg und nahm ihn in den Schwitzkasten, bis er sich auf den Boden legte“, erzählt der 64-Jährige, der die Polizei gerufen hatte.

Der Richter möchte wissen, ob sie ein Verhältnis hatten, was die beiden aber bestreiten. „Mein Mann hatte sich immer eingebildet, dass ich ihn betrüge“, sagt die Renningerin. „Laut ihm hatte ich mit der ganzen Kneipe ein Verhältnis.“ Der Anwalt des 63-Jährigen hakt nach: „Einem Polizeibeamten zufolge hatten sie dem Bekannten nach dem Vorfall auf den Mund geküsst“, hält er ihr vor. Die Frau erklärt: „Ich war einfach nur froh, dass er mir geholfen hat.“

Die drei Beteiligten waren damals stark betrunken. Denn vor dem Vorfall sie den Abend gemeinsam in einer Kneipe. Bei dem Angeklagten wurden später 1,7 Promille gemessen, bei seinem früheren Arbeitskollegen waren es 2,6 Promille, der Alkoholtest bei der 46-Jährigen ergab 2,7.

Der 63-jährige Angeklagte hatte schon früher den Heimweg eingeschlagen, weil ihm das „Gesülze“ der beiden gegen den Strich gegangen sei. Die 46-Jährige habe den Bekannten später darum gebeten, sie nach Hause zu begleiten. „Ich hatte Angst, dass mein Mann wieder aggressiv wird“, erklärt die Frau.

Ehe schon seit Langem zerrüttet

Ihr zufolge kriselte es in der Ehe der beiden – das Paar heiratete 2006 und bekam zwei Kinder – schon seit Jahren. Die Scherereien hätten angefangen, nachdem der Angeklagte wegen einer Trunkenheitsfahrt seinen Job als Kurierfahrer verloren habe. Immer wieder sei er ihr gegenüber aggressiv geworden, dass sie sogar ein Annäherungsverbot gegen ihn erwirkt habe.

Einmal wusste sie sich offenbar nicht anders zu helfen, als sich den Mann mit einem Messer vom Leib zu halten. „Wir hatten seit geraumer Zeit in getrennten Zimmern geschlafen“, erzählt sie. „Ich wollte mich von ihm trennen.“ Inzwischen hat die 46-Jährige die Scheidung eingereicht. Auch der Angeklagte möchte endgültig einen Schlussstrich unter die Beziehung ziehen. „Es hat keinen Sinn mehr, sonst sitze ich in zwei Jahren wieder hier“, sagt der Rentner, der sich vor Gericht bei seiner Frau für den Übergriff entschuldigt.

Der Prozess am Landgericht wird fortgesetzt. Im weiteren Verlauf werden auch ein Psychologe und eine Rechtsmedizinerin noch zu Wort kommen. Auf die Vernehmung des minderjährigen Sohnes wollen beide Seiten hingegen verzichten.