Unsere Hamburger Praktikantin Friederike Falkenberg (19) beschreibt, wie sie als faschingslos aufgewachsene Hanseatin den Rathaussturm in Leonberg erlebt – die erwachsenen Menschen in bunten Kostümen kommen ihr vor wie Märchenfiguren.

Leonberg - Die Rathausuhr schlägt elf, der Himmel ist blau und die Sonne zeigt sich von ihrer besten Seite für das 14. Guggenmusik-Treffen und den Rathaussturm auf dem Leonberger Marktplatz. Für mich, die Praktikantin aus Hamburg, ist es das erste Mal Guggenmusik, das erste Mal Rathaussturm, das erste Mal Fasching. So viele erwachsenen Menschen in aufwendig gestalteten, bunten Kostümen wirken auf mich eher wie Figuren aus einer Fantasie-Geschichte.

 

Der Marktplatz ist voll von ihnen und Schaulustigen, alle sind gut gelaunt, singen und tanzen zu Schlager-Hits aus den Lautsprechern neben der kleinen Bühne. Es gibt Stände, wahrscheinlich wie immer, an denen man Würstchen, Pommes, Maultaschen, Suppe und Getränke kaufen kann.

Ein großer Mann in schwarzem Gewand und Faschingshut kommt auf die Bühne. Es ist der Ordenspräsident Harald Lutz, der die Veranstaltung moderiert. Er heißt die Leonberger willkommen und die wiederum begrüßen die Schalmeien der Freiwilligen Feuerwehr Leonberg mit einem noch etwas müden dreifachen „LE-O!“.

Pünktlich ab 11.11 Uhr sorgen die Guggenmusik-Bands für ordentlich Stimmung auf dem Marktplatz. Besonders begeistert ist die Menge von den Gastgebern, den heimischen Leo Valentinos, die nach ihrem Auftritt noch ein Ständchen für den Geburtstags-Narr Harald Lutz geben. Laut-stark tönt ein vielstimmiges „Happy Birthday“ über den Platz, alle singen mit.

Doch dann richten sich alle Blicke gespannt auf das Rathaus. Der Oberbürgermeister Bernhard Schuler wird erwartet. „Herr Bürgermeister, wo sind sie?“, ruft Lutz, und die Valentinos spielen noch ein Lied. Zu aller Überraschung taucht als erstes nur der Hausmeister am Fenster auf. Was der Moderator mit einem frechen Spruch kommentiert.

Erst kommt der Hausmeister statt dem OB

Doch dann kommt der erwartete Protagonist und gratuliert dem Geburtstagskind mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass sie noch so alt werden, wie sie jetzt schon aussehen!“ Doch für der Oberbürgermeister hat nicht mehr lange zu lachen, die Waldhexen erfüllen ihre Pflicht und übernehmen das Regiment. Ein mit Farbe beschmierter und mit Wäscheleinen und Klopapier gefesselter Schultes wird an allen Vieren aus dem Rathaus getragen. Ein lustiges Schauspiel für eine Hanseatin, in meiner Heimat wären die eher zurückhaltenden Politiker selten für einen solchen Spaß zu haben.

Unter Gelächter und Zurufen wird er auf die Bühne gebracht, wo schon die Anklageschrift auf ihn wartet. Neun Punkte werden ihm vorgeworfen, witzige Lösungsansätze vorgeschlagen. Doch Schulers sorgfältig gereimte Verteidigung nützen ihm gar nichts. Einmal mehr bekommt er den Titel Stadtpräsident a.D. und Medaille der Saison verliehen, ein Engelbergturm mit Windrad. Der Dienstwagen wird gegen ein Fahrrad ohne Pedale getauscht.

Obwohl es immer kälter wird und die Sonne verschwindet, ist die Stimmung zum Monsterkonzert aller Guggenmusiker auf dem Höhepunkt. Selbst nach der offiziellen Verabschiedung geben sie dem begeisterten Publikum eine Zugabe nach der anderen, bis ihnen irgendwann die Luft ausgeht. Was für ein ausgelassenes Volk, denke ich mir und verlasse lächelnd den Marktplatz.