Das Leo-Center der Handelsgruppe ECE ist eines der ältesten in ganz Deutschland und hat seit 42 Jahren die Funktion einer echten Einkaufsstraße. Hier gibt es fast alles. Die lokale Verwurzelung ist stark, der Kontakt zu den anderen Händlern eng.

Leonberg - In die Stadt gehen“ – der landläufige Begriff für einen Einkaufsbummel wird in Leonberg etwas anders interpretiert. Denn wer hier in die Stadt geht, der findet sich sehr häufig im Leo-Center wieder. Die überdachte Shopping-Mall auf drei Etagen ist quasi das Zentrum der 46 000 Einwohner großen Stadt, die seit zwei Jahren ihr markantes Kürzel LEO wieder als Autokennzeichen führt.

 

Eine klassische Fußgängerzone gibt es in Leonberg nicht. Die Innenstadt unterteilt sich stattdessen in drei Pole. Im Norden die auf einem Hang gelegene Altstadt mit einem pittoresken Marktplatz. Richtung Süden gibt es eine sogenannte neue Stadtmitte mit markanten Hochhäusern aus den Siebzigern, die selbst von der Autobahn zu sehen sind. Und am Ende dieses neuen Zentrums, das heutzutage getrost in die Kategorie Bausünde eingeordnet werden kann, ist eben das Leo-Center.

Konkurrenz aus dem eigenen Haus

Der Einkaufstempel mit 90 Geschäften, Gastronomie und zwei stark frequentierten Bankfilialen gehört zu ECE. Der Hamburger Konzern betreibt Shopping-Center in ganz Europa. Dessen spektakulärste Neueröffnung in der Region ist das Milaneo in Stuttgart. Auch die Breuninger-Länder gehören zu ECE. Man macht sich also innerhalb des Konzerns auf kürzester Distanz gehörig Konkurrenz. Lukas Rottmann ficht das nicht weiter an. „Wir sind in aller erster Linie ein Center der Nahversorgung“, sagt der Chef des Hauses, der erst im April das Steuer in Leonberg übernommen hat. Zwar will der 27-Jährige nicht verhehlen, dass das Milaneo jüngere Kunden anzieht. Aber die meisten Kunden im Altkreis Leonberg bleiben dem Leo-Center treu.

Alles unter einem Dach

In der Tat bekommt man hier so ziemlich alles buchstäblich unter einem Dach – von Lebensmitteln über Mode bis hin zu Schuhen, Spielwaren oder Elektronik-Artikeln. Die im Leo-Center beherbergte Karstadt-Filiale ist eine derjenigen in Deutschland, die noch gut läuft.

Dass das Center die Funktion einer Fußgänger-Zone seit Jahren erfüllt, liegt nicht nur an der geografischen Zerfaserungen der Leonberger Innenstadt. Das Center ist in diese Rolle hineingewachsen. Als eines der ersten in Deutschland überhaupt, hat es mittlerweile 42 Jahre auf dem Buckel. Die Kundschaft ist mit dem Center groß geworden. Hier gibt es kaum einen, der eine klassische Einkaufsstraße vermisst.

Das Center hat zudem eine verbindende Funktion. Der rechteckige Zweckbau, der sich nahtlos in die Architektur der 70er-Jahre einfügt, liegt genau an der Grenze zwischen zwei Stadtteilen. Hüben das historische Leonberg, die alte Oberamtsstadt. Drüben das einstige Bauerndorf Eltingen. Vor mehr als 40 Jahren wurde die Markungsgrenze von nicht wenigen „Demarkationslinie“ genannt. Mittlerweile ist Eltingen längst in die Kernstadt hineingewachsen. Die spezielle Lage des Leo-Centers hat einen nicht unwesentlichen Anteil daran.

Während die Einkaufstempel Hamburger Machart in vielen Städten Fremdkörper sind, die unabhängig vom örtlichen Geschehen ihr Eigenleben führen, ist das Leo-Center ein fester Bestandteil des kommunalen Lebens. Der jeweilige Centermanager – die Akteure wechseln etwa im Zwei-Jahres-Rhythmus – ist Mitglied des Arbeitskreises für Stadtmarketing. Er steht im Kontakt zu den anderen Gewerbetreibenden und zu den Kommunalpolitikern.

Leo-Center ist tief verankert

Es gibt keinen Statthalter, der sich zu Beginn seiner Amtszeit nicht über das große Interesse an seiner Person wundert. Dass der Chef des Leo-Centers sich auf den diversen Festle blicken lassen muss, mit dem einen oder anderen Lokalhonoratior sich zum Viertele trifft oder Vereinen die Möglichkeit zu Auftritten gibt, gehört zum Geschäft. Der Erste Leonberger Karnevalsverein hält alljährlich am Faschingssamstag sein Narrengericht im Leo-Center ab, bei dem ein örtlicher Prominenter wortreich diverser Vergehen angeklagt wird. Da wundert es nicht, dass das Center auch am höchsten Leonberger Feiertag, dem Pferdemarkt, mit einem Wagen im Festumzug dabei ist. Und auch den allsommerlichen Familien-Radausflug „Tour de Natur“, den das im lokalen Geschehen tief verankerte Center mit veranstaltet, gehört zum festen Teil des Stadtlebens. Der Umstand, dass in dem Leonberger Einkaufstempel nicht nur die allerorten üblichen Ketten präsent sind, sondern zudem zahlreiche alteingesessene Geschäfte, passt da ins Bild.

Zukunftsfähiges Modell

Die Gewerbetreibenden jenseits des ECE-Territoriums pflegen zum Center eine konstruktive Koexistenz. Sie wissen, dass die Shoppingmall Kunden in die Stadt zieht. Kunden, von denen auch sie profitieren. Gerade in den vergangenen anderthalb Jahren gibt es starke Bemühungen, eine funktionierende Achse zwischen dem Leo-Center und der Altstadt aufzubauen. Bieten doch die kleineren Fachgeschäfte und Boutiquen rund um den Markt ein gänzlich anderes Einkaufserlebnis.

Die Repräsentanten der rührigen Werbegemeinschaften „Faszination Altstadt“ und „Wir sind Eltingen“ erzählen jedenfalls nichts Schlechtes über den großen Klotz, der vor mehr als vier Jahrzehnten zwischen einem einstigen Gipswerk und Ackerflächen entstanden ist. So gesehen ist der Dreibund für den Einkaufsstandort Leonberg ein durchaus zukunftsfähiges Modell.