Die h&h-Apotheke und die Leonberger Selbsthilfegruppe stehen Betroffenen am Welt-Diabetestag mit Rat und Tat zur Seite.

Leonberg - Am Dienstag, 14. November, ist Welt-Diabetestag. An diesem Datum soll die Aufmerksamkeit auf eine der häufigsten Volkskrankheiten gelenkt werden, die eine sehr hohe Dunkelziffer aufweist. Miriam Sachs, deren h&h-Apotheke in Leonberg eine der größten Diabetes-Schwerpunkt-Apotheken im Großraum Stuttgart ist, erklärt im Interview, wie man vorbeugen kann, was man tun kann, wenn Diabetes bei einem Menschen diagnostiziert worden ist und welche neuen Entwicklungen es gibt.

 
Frau Sachs, wie erkennt man überhaupt, ob ein Mensch an Diabetes erkrankt ist?
Das Problem ist, dass Diabetes in einer Vielzahl von Fällen unentdeckt bleibt und erst erkannt wird, wenn schon Komplikationen auftreten. Es wird zum Beispiel zufällig bei einer Routineuntersuchung entdeckt, oder wenn im Krankenhaus untersucht wird, warum bei einem Patienten eine Wunde schlecht heilt. Dann stellt sich bei der Untersuchung heraus, dass die Blutzuckerwerte zu hoch sind. Das Problem ist, dass Diabetes keine auffälligen Symptome aufweist und daher für den Betroffenen unbemerkt verläuft. Man geht davon aus, dass es in Deutschland eine Dunkelziffer von bis zu zwei Millionen Fällen gibt, in denen die Krankheit noch nicht diagnostiziert ist. Meistens ist das der Fall bei den so genannten Diabetes 2- Patienten, umgangssprachlich auch Alterszucker genannt, die zum Beispiel nur etwas Übergewicht haben. Der Diabetes-Typ 1, der bei Kindern und Jugendlichen auftritt, wird dagegen sehr schnell diagnostiziert, weil dabei akute Symptome bis zum diabetischen Koma auftreten, wenn die Bauchspeicheldrüse – aus bisher noch unerforschten Gründen – durch das eigene Immunsystem angegriffen wird, das dann eigentlich gesunde Zellen angreift.
Ist es richtig, dass Diabetes eine der am häufigsten unerkannten Krankheiten ist und als Volkskrankheit des 21. Jahrhunderts gilt?
Etwa sieben Millionen Menschen leiden in Deutschland an Diabetes Typ 2 – Tendenz steigend. Diabetes gilt als Zivilisationskrankheit, die durch Ernährung, Bewegungsmangel, Stress oder Rauchen beeinflusst wird. Daher nimmt die Zahl vor allem in westlichen Ländern zu, aber auch weltweit ist ein Zuwachs zu verzeichnen.
Inwieweit helfen regelmäßige Untersuchungen beim Arzt? Gibt es Risikofaktoren?
Diabetes hat auf jeden Fall eine erbliche Komponente. Menschen, in deren Familie es einen Fall von Diabetes gab, haben ein um 30 bis 40 Prozent erhöhtes Risiko. Öfter kontrollieren lassen sollten sich auf jeden Fall Männer und Frauen mit gewissen Risikofaktoren wie erhöhten Cholesterinwerten oder Übergewicht.
Was sollten Patienten tun, bei denen Diabetes festgestellt worden ist?
Ziel einer Diabetes-Therapie ist es, Folgeschäden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verhindern, indem zu hohe Blutzuckerwerte vermieden werden. Jeder Mensch mit Diabetes steht vor der Aufgabe, mit seiner von nun an lebenslangen Erkrankung auf angemessene Weise umzugehen. Dies gelingt in der Regel umso besser, je mehr man über den Diabetes weiß und über die eigenen Möglichkeiten, den Verlauf der Erkrankung positiv zu beeinflussen. Ziel der modernen Diabetestherapie ist „Empowerment“. Die Diabetes-Patienten sollen aktiv ihre Therapie angehen und die nötigen Kompetenzen erlernen, zum Beispiel wie der Körper auf bestimmte Nahrungsmittel oder Bewegung reagiert. Deshalb müssen Diabetiker heutzutage auch zum Beispiel nicht mehr komplett auf Süßigkeiten verzichten, sondern können ihre Therapie entsprechend anpassen.
Was erwartet die Besucher am Welt-Diabetestag in der h&h Apotheke?
Mitglieder der Leonberger Diabetiker-Selbsthilfegruppe werden da sein und informieren über ihre Angebote. Sie können viele praktische Tipps geben und stehen als Ansprechpartner für rechtliche und soziale Fragen zur Verfügung. Für Kunden ohne Diabetes-Erkrankung haben wir ein Zucker-Quiz vorbereitet: Es gilt zu schätzen, wie viel Zucker in einzelnen Lebensmitteln enthalten ist und wie das im Verhältnis zu den Ernährungs-Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO steht.
Wie kommt es, dass ihre Apotheke einen Diabetes-Schwerpunkt hat?
Als ich in meinen Beruf als Apothekerin eingestiegen bin, habe ich bei einer Firma in Waiblingen angefangen, die einen Schwerpunkt auf Diabetes gelegt hat. Sie ist von einem Betroffenen gegründet worden. Die Firma gehörte zu den spezialisierten Händlern, die Blutzuckermessgeräte und Insulinpumpen im Angebot hatte. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich 2004 die h&h Apotheke in Waiblingen gegründet und bin 2012 nach Leonberg umgezogen, wo wir uns mit der Löwen-Apotheke zusammengeschlossen haben. Wir gehören zu den Apotheken mit Versandlizenz, das heißt, wir dürfen deutschlandweit Pakete an Patienten liefern.
Mit welchen Themen kommen die meisten Diabetes-Patienten zu Ihnen?
Die meisten interessieren sich für technische Neuerungen. Es ist spannend, welche Fortschritte es dabei gibt. So gibt es inzwischen beispielsweise Sensoren, die in die Haut gestochen werden und bis zu zwei Wochen drin bleiben. Dann muss man sich nicht dauernd aufs Neue in den Finger piksen. Die Daten können über eine App mit dem Smartphone ausgelesen werden. In Kombination mit einer Insulinpumpe, die die Insulinabgabe steuert, besteht dann die Möglichkeit, die Insulinabgabe zu automatisieren. In den USA ist ein entsprechendes System bereits zugelassen. Es ist damit zu rechnen, dass es in absehbarer Zeit auch in Europa verfügbar sein wird.