Protest am Krankenhaus: Die Nummernschilder zeigen an, wie viele Pflegekräfte in der Patientenversorgung fehlen. 87 sind es in Leonberg, bundesweit über 100 000. Ausgerechnet hat dies die Gewerkschaft Verdi, die zu Aktionen aufgerufen hatte.

Leonberg - Nein, es ist nicht das Jahresgehalt der Krankenschwester. Es ist auch nicht das Defizit der Klinik. 107 271 bis 107 358 – das sind die 87 Vollzeitstellen, die am Leonberger Krankenhaus fehlen. „Das ist die Zahl an zusätzlichen Stellen, mit denen eine qualitätvolle und vor allem anständige Pflege der Patienten hier gewährleistet wäre“, sagt Susanne Herrmann, die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende. Weit über 100 000 sind es bundesweit.

 

Ausgerechnet hat diese Zahlen die Gewerkschaft Verdi, die einen eigenen Betreuungsschlüssel von Pflegekräften zu Patienten zugrunde gelegt und mit einer bundesweiten Protestaktion an Krankenhäusern am Mittwoch auf diesen Pflege-Missstand aufmerksam gemacht hat. Der Klinikverbund Südwest hat die Aktion, die auch an den anderen Kliniken stattfand, ausdrücklich unterstützt. Protestiert haben die Mitarbeiter allerdings in ihrer Mittagspause.

Kein Betreuungsschlüssel

Das Problem: „Anders als etwa bei Pflegeheimen für Senioren oder in der Kindererziehung gibt es für Krankenhäuser keinen Betreuungsschlüssel, der definiert, wie viele Pflegekräfte auf wie viele Patienten kommen“, erklärt Ute Geiger. Die Betriebsratsvorsitzende fügt hinzu: „Dieser Schlüssel müsste von der Bundesregierung festgelegt werden. Aber die Politik nimmt sich da aus der Verantwortung raus und lässt uns an der Basis rumwurschteln.“

Das Ergebnis: die Pflegekräfte müssen viele Aufgaben in kurzer Zeit erledigen. Das Gehalt ist ohnehin niedrig, es fehlt an Nachwuchs. „Und die, die noch da sind, halten irgendwann den Stress nicht mehr aus und gehen lieber in Teilzeit“, erzählt Inge Binder-Jung, die in der Anästhesie arbeitet. Auch die Unterfinanzierung der Krankenhäuser sei Teil des Problems. Den 87 Vollzeitstellen, die laut Verdi zusätzlich benötigt würden, stehen derzeit 136 ganze Stellen im pflegerischen Bereich gegenüber – das hieße, es fehlen mehr als 50 Prozent. Die 136 Stellen verteilen sich durch Teilzeitregelungen auf etwa 280 Angestellte. Nicht eingerechnet sind Mitarbeiter in nichtpflegenden Bereichen wie der Notfallambulanz oder den OP-Sälen.

„Entwicklung ist endlich beim Landrat angekommen“

Auch wenn der Protest am Mittwoch eher symbolischer Natur ist, so freuen sich die Krankenhaus-Mitarbeiter, dass ihr Widerstand an anderer Stelle Erfolg gehabt hat: bei der Wiederbesetzung der Chefarztstellen. Wegen des anhaltenden Protests auch der Kommunalpolitik und aus der Bevölkerung hatte der Klinikverbund zurückgerudert. „Das ist ein gutes Zeichen für uns“, sagt Ute Geiger. Und es sei gut, dass das auch endlich beim Landrat angekommen sei, der diese Entwicklung in unserer Zeitung positiv bewertet hat.

Allerdings sei das Leonberger Haus in der Vergangenheit vernachlässigt worden. „Es wurde versäumt, hier zu sanieren und zu investieren. Uns war zugesagt worden, die Intensivstation schon vor zwei, drei Jahren zu sanieren“, sagt die Betriebsratsvorsitzende. Der Umbau soll jetzt Ende des Jahres beginnen, die Vorarbeiten laufen schon. Ein schlechtes Signal, findet Ute Geiger. „Man hat uns damit das Gefühl gegeben, dass man das Leonberger Krankenhaus nur noch als Portalklinik betrachtet.“ Dass Leonberg dahingehend abgestuft wird, ist ein Vorschlag des medizinischen Gutachtens aus dem Jahr 2013, um das geplante Großklinikum auf dem Böblinger Flugfeld zu stärken. Dieser Plan hatte die heftigen Proteste in Leonberg ausgelöst.

Von Basisversorgung will heute keiner mehr im Landratsamt und dem Klinikverbund sprechen. Stattdessen kommt das Gespräch immer wieder auf die „Leuchttürme“, die das Leonberger Haus auszeichnen und für viele Patienten sorgen sollen. „Der Landrat Roland Bernhard hat gesagt, die zwei neuen Chefärzte werden das Krankenhaus voranbringen. Aber die beiden alten Chefärzte hatten die Klinik schon vorangebracht“, merkt Doris Weis an, die Pflegedienstleiterin.