Der Sindelfinger Ex-Oberbürgermeister Joachim Rücker (SPD) fordert den CDU-Platzhirsch Clemens Binninger heraus. Er will als Direktkandidat des Wahlkreises 260 in den Bundestag. Der Sozialdemokrat leitete schon eine Übergangsregierung im Kosovo.

Leonberg/Böblingen - Die zahlreichen Bücher in den Wohnzimmerregalen deuten auf seine Leidenschaft hin: Lesen. Und natürlich auf seinen politischen wie gesellschaftlichen Kosmos. Günter-Wallraff-Bände stehen da, Andy Warhols Tagebücher, „Kriegsfolgen und Kriegsverhütung“ von Carl Friedrich von Weizsäcker, „Brehms Tierreich“, die Erinnerungen von Carlo Schmid und „Sophisticated Ladies“ von Konrad Heidkamp, der Powerfrauen im Alter über 50 beschreibt wie den ewig jungen Popstar Tina Turner, für den Joachim Rücker schwärmt. Bücher, die für den 62-Jährigen die Welt bedeuten. Auch er hat zuletzt im Jahr 2011 eines geschrieben: „Standards and Status“ heißt es, in dem er schildert, wie das Kosovo seine Unabhängigkeit erlangte, dessen Übergangsregierung er bis zum Jahr 2008 leitete.

 

Rücker kennt sich auf der politischen Weltbühne aus

Der SPD-Bundestagskandidat und ehemalige Sindelfinger Oberbürgermeister ist ein gestandener Diplomat und Kosmopolit. Seine Aufgaben für das Auswärtige Amt führten ihn von Bonn nach Wien, Daressalam (Tansania) und Detroit in den USA. Rücker kennt sich auf der Weltbühne aus und verfügt über politische Praxiserfahrungen vor Ort. „All politics is local“ – sämtliche Politik ist lokal, der Satz des ehemaligen Sprechers des US-Repräsentantenhauses Thomas Phillip „Tip“ O’Neill ist sein Leitmotiv. Rücker hat sich nicht nur für die Selbstständigkeit der Kosovaren auf dem Balkan eingesetzt. In der Lokalpolitik bekam er es als Rathauschef in Sindelfingen mit einbrechenden Gewerbesteuereinnahmen zu tun, auf die er reagieren musste.

Rückers Amtsvorgänger hatte keinen Erfolg versprechenden Plan, um die Finanzmisere zu überwinden, und wurde überraschend abgewählt. In die Bresche sprang ein Nobody aus Bonn, der die Bestattungskosten, die Kindergartengebühren und den Wasserzins in der einst „reichsten Stadt Deutschlands“ erhöhte und nicht zuletzt das City-Management mit Geschäftsleuten ins Leben rief, um mit Marketing-Aktionen die Einnahmen aller wieder zu erhöhen. Wenige Jahre später war der Haushalt konsolidiert, auch weil es Rücker verstand, die Stadträte und die Bürger von seinem Kurs zu überzeugen.

Zum 50. Geburtstag bekam er eine Karikatur des Sindelfinger Künstlers Joachim Kupke geschenkt, die ihn treffend charakterisiert: einen Gewichtheber in der Hocke. Auf Rücker bezogen heißt dies, unter der Last der politischen Verantwortung nicht einzuknicken.

Die hat er nun als Bundestagskandidat im Wahlkreis 260 übernommen. „Ohne Netz und doppelten Boden“, wie der SPD-Kreischef Felix Rapp anmerkt. Denn die Genossen haben ihm auf der Landesliste der Partei keinen Platz eingeräumt, über den er über die Zweitstimme hätte in den Bundestag einziehen können. Sein Ziel ist deshalb klar: Er will den Platzhirsch Clemens Binninger (CDU) mit den Erststimmen schlagen. Die Wechselwähler hat Rücker im Visier, und zeigt dies auch auf seinem Wahlplakat. Er trägt ein weißes Hemd vor einem neutralen blauen Hintergrund. Rot hat er tunlichst vermieden.

Grün hätte noch gut gepasst. Rückers Frau, Ines Kirschner, engagiert sich bei den Grünen, ebenso sein Bruder. Zudem hat sich der 62-Jährige die Energiewende auf seine Fahne geschrieben. „Es geht um das deutsche Referenzmodell, wir können weltweit Vorbild sein“, sagt er. Rücker schwebt „ein ordentliches Projektmanagement“ vor, das er zurzeit auf der Bundesebene vermisst. Der Klimaschutz müsse beim Einsatz alternativer Energieträger unter den Gesichtspunkten der Bezahlbarkeit und der Versorgungssicherheit verbessert werden. Zu seinen Zielen zählt er zudem die Gleichstellung von Mann und Frau, eine verlässliche Außenpolitik für den Frieden in der Welt sowie eine solide Haushaltspolitik. Und die Eurokrise möchte er „mit mehr Vertrauen und Transparenz“ überwinden.

Joachim Rücker will zudem das gesellschaftliche Miteinander fördern und „den sozialen Zusammenhalt sichern“. Im Freundes- und Familienkreis ist ihm das gelungen. Nach wie vor steht in seinem Freizeitprogramm das Bergwandern an oberster Stelle. Den afrikanischen Kilimandscharo hat er mit Freunden schon zwei Mal bestiegen, kürzlich den Ararat in Ostanatolien. Auch die Familie war und ist oft mit von der Partie. Ein Foto aus früheren Tagen ist ihm besonders ans Herz gewachsen. Es wurde vor etwa zehn Jahren von seiner Frau aufgenommen und zeigt ihn mit seinen Kindern. Auf dem Gipfel des Bärenköpfle im Oberallgäu.