Seit März ruht im großen Saal in der Leonberger Römerstraße zwangsweise der Kulturbetrieb. Die ausbleibenden Einnahmen erhöhen das Defizit.

Leonberg - Kurt Kindermann denkt in großen Dimensionen. Das hat der einstiger Polizei-Profiler während seiner kriminologischen Ausbildung beim FBI gelernt. Und deshalb geht der jetzige Leonberger FDP-Stadtrat den Dingen immer genau auf den Grund – auch beim Dauerthema „Zukunft der Stadthalle“.

 

Das Defizit und die Sanierungskosten stehen in keinem Verhältnis“, urteilt der frühere Ermittler und schlägt ganz neue Wege vor. Statt sich nur auf die Stadthalle zu fixieren, solle die Politik ihren Blick auf die komplette Innenstadt richten. Denn hier könne eine „Kultur-, Kunst- und Kongresszone mit zusätzlichem Parkraum und parkcharakteristischen Grünanlagen“ entstehen, die das Gebiet zwischen Stadtpark, Rathaus und Altstadt verbindet. Da dies ein recht komplexes Vorhaben ist, sei es am besten in einem gesonderten Gremium aufgehoben: einer „Projektgruppe urbane Planung Leonberg 2020.“

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Im Gemeinderat stoßen die Visionen des forschen Freidemokraten nicht überall auf Gegenliebe. „Wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründe ich einen Arbeitskreis“, kommentiert Axel Röckle ironisch den Wunsch nach einer weiteren Projektgruppe neben der bereits existenten Haushaltskommission.

Der Fraktionschef der Freien Wähler verhehlt nicht, dass in der Stadthalle Handlungsbedarf besteht. „Doch zunächst müssen wir klären, wie es kurzfristig weitergeht“, erklärt Röckle. Erst dann könne man in die ferne Zukunft schauen. Seine Befürchtung: „Wenn wir jetzt nichts mehr in die Stadthalle investieren, müssen wir sie beim kleinsten Schaden zumachen.“

Diese Gefahr sieht der Oberbürgermeister nicht: „500 000 Euro sind im Haushalt eingestellt, um das Wichtigste zu machen“, erklärt Martin Georg Cohn (SPD). Dass man sich intensive Gedanken machen muss, hält er für dringend angebracht. Belastet doch das Defizit von jährlich rund einer Million Euro den Etat.

Hoffnung vorerst getrübt

Die Hoffnung, dass mit dem Einstieg eines neuen Veranstaltungsmanagers nicht nur das Kulturangebot, sondern auch die Finanzsituation der Stadthalle besser werde, hat Corona vorerst zunichte gemacht. Im März wurde der Spielbetrieb zwangsweise komplett eingestellt.

Zwar hat der Veranstaltungsmanager Nils Straßburg etliche Pläne, die auch schnell verwirklicht werden können. Doch wie sich die Pandemie weiterentwickelt, ist derzeit nicht wirklich absehbar.

„Angesichts der Corona-Folgen kann die Finanzlage nicht annähernd seriös beurteilt werden“, sagt denn auch Ottmar Pfitzenmaier. Für umso wichtiger hält es der SPD-Fraktionsvorsitzende, dass man sich ausführlich mit der Stadthalle befasst. Auch Oliver Zander hält eine Projektgruppe für den richtigen Ansatz: „Da können andere Nutzungsmöglichkeiten entwickelt werden, die uns weiterbringen“, hofft der CDU-Stadtrat. Harald Hackert von der Wählergruppe SALZ hält die aktuelle Zwangspause sogar für günstig: „Diese Zeit sollten wir für Lösungen nutzen.“

OB: Defizit muss jetzt analysiert werden

Einzig Bernd Murschel erkennt keine Dringlichkeit: „Nach Corona werden wir noch Finanzdiskussionen zu vielen anderen Themen führen“, sagt der Fraktionschef der Grünen. „Der Stadthalle jetzt schon eine Vordringlichkeit zu geben, wird der Sache nicht gerecht. Die Prioritäten sollten wir erst im Herbst setzen.“

Das wiederum sieht der OB völlig anders: „Es ist meine Pflicht, das Defizit jetzt zu analysieren.“ Schließlich würde das Defizit der Stadthalle aus Steuergeldern gedeckt. „Da müssen wir uns schon etwas einfallen lassen.“ Cohn verhehlt nicht, dass er die Idee einer Arbeitsgruppe für sinnvoll hält. Keine im großen Stil, wie es der FDP-Mann Kindermann vorschlägt. Aber ein Gremium, das den Grundkonflikt zwischen Sanierung oder Neubau angeht.

Tatsächlich gibt es genügend, die bereit sind, sich in diesem Sinne einzubringen. Auf Cohns Frage, wer für eine Arbeitsgruppe zur Verfügung stünde, melden sich spontan zwölf Stadträte. „Das ist fast schon zu viel“, meint der Oberbürgermeister. „Aber man sieht, dass das Engagement da ist. Und es tut uns ja nicht weh.“

Anhand des Beispiels Leobad warnt er aber vor der Erwartung, dass solch ein Zirkel aus roten Zahlen schwarze macht: „Ich bin froh und dankbar, dass das neue Leobad gut angenommen wird. Dafür haben wir 14 Millionen Euro ausgegeben.“ Diese Summe könne nicht eingespielt werden. Die Botschaft des Oberbürgermeisters ist klar: Eine lebendige wie liebenswerte Stadt mit vielfältigen Angeboten kostet Geld und ist kein Profitcenter.