Über die Installation aus Bäumen, die dem Bahnhofsprojekt weichen mussten, ist viel und heftig diskutiert worden. Das Projekt von Michael Lange hat seit Herbst nur langsam Fortschritte gemacht. Er hofft, es bis Ende Juni enthüllen zu können.

Leonberg„ - Ist das Kunst oder kann das weg?“, ist ein beliebter Spruch auf Postkarten oder Schildern. So mancher Spaziergänger fragte sich das in den vergangenen Monaten auch auf dem Alten Golfplatz. Zehn Baumstämme liegen auf dem Grün, zwei sind noch verpackt. Im Juni 2015 wurden sie geliefert. Der Leonberger Künstler Michael Lange wollte sie zu einer Installation verarbeiten.

 

Es sind besondere Baumstämme. Bäume mit Geschichte. „Diese Bäume sind einmalig. Die Königin Katharina ließ sie einst im Schlossgarten von Stuttgart pflanzen“, erzählt Lange. Dort standen sie, bis sie im Herbst 2013 im Zuge der Bauarbeiten am Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 gefällt worden sind. Eine Zäsur in der Geschichte der Landeshauptstadt. Laut einer Entscheidung des Bürgerforums zu Stuttgart 21 sollten möglichst viele Bäume zu Kunst verarbeitet werden. Eine Jury wählte dafür unter anderem Lange aus: „Die zehn Stämme allein würden Tausende Euro kosten. Aber der ideelle Wert ist unbezahlbar.“

In seinem Atelier in der Bahnhofstraße hat er ein kleines Modell aufgestellt. „Gleich kommen die Schüler der Pestalozzischule. So kann ich ihnen zeigen, wie es einmal aussehen soll“, erklärt Lange. Mit der Schule pflegt er seit Beginn des Projekts eine Kooperation. Die Deutsche Bahn und private Sponsoren haben Geld gestiftet, damit die Kinder und Jugendlichen aktiv am Kunstwerk mitgestalten können. Zu tun gebe es reichlich. „Zuerst muss die ganze Rinde vom Baum entfernt werden. Dann werden sie vorgeschliffen“, erläutert er das Prozedere.

Am Ende werden die Stämme ein mattes Schwarz haben

Schwierigkeiten bereiteten ihm und seinem Sohn die vielen Ritzen der altehrwürdigen Stämme. „Die mussten wir ausbrennen mit einem speziellen Heißföhn. Das tötet Pilzsporen und bewahrt uns vor Käfernestern im Inneren der Stämme“, erklärt Lange. Anschließend wurden die Ritzen zugespachtelt. Erst danach kommt der Arbeitsschritt, der den Bäumen ihr charakteristisches Aussehen verpassen wird. „Die Stämme werden gebrannt und die Asche mit viel Leinöl eingerieben“, sagt der Künstler und zeigt einen kleinen Stamm in seinem Atelier, den er bereits so behandelt hat. Das Ergebnis ist ein mattes Schwarz.

Das alles habe viel mehr Zeit gekostet, als gedacht. Auch das Wetter sei in den vergangenen drei Monaten so ungünstig gewesen, dass er kaum vorangekommen sei. „Bei Regen kann ich nicht arbeiten. Und ich muss warten, bis auch das Holz wieder trocken ist“, erklärt Michael Lange.

Ein letzter Baum muss noch so behandelt werden, dann sind die Stämme fertig. Dass hin und wieder die Kritik laut wird, es gehe mit dem S 21-Kunstwerk nicht voran, kann er nachvollziehen. „Woher sollen die Leute auch wissen, was ich da mache?“, sagt er. Mittlerweile habe sein Projekt schon einige Fans. „Einige kommen regelmäßig vorbei und bringen auch mal einen Kaffee mit. Nur ganz wenige äußern sich negativ.“

Wenn alle Bäume fertig bearbeitet sind, wird das Fundament für das Kunstwerk erstellt. Dieses ist notwendig, um die Standfestigkeit zu garantieren. Um das Fundament hatte es im vergangenen Jahr heftige Diskussionen gegeben. „Ich habe eine Zusage vom Kulturamt über 25 000 Euro für den Sockel erhalten, schriftlich“, wiederholt Michael Lange. Die Stadtverwaltung dementiert, dass ein konkreter Betrag vereinbart worden sei. Zudem sei die Förderung – sowie die Zusage, städtisches Gelände dafür zur Verfügung zu stellen – an Auflagen geknüpft gewesen. Etwa, dass das Fundament von einem Statiker geplant und überprüft wird. Nach heftigen Auseinandersetzungen, auch im Gemeinderat, beschloss dieser letztlich, 10 000 Euro für den Sockel zur Verfügung zu stellen. Das Geld wird erst fällig, wenn das Fundament tatsächlich gegossen ist. Dafür kümmert sich der Künstler um alle Planungen. „Ich werde auch das Grün wieder herstellen und mich um die Pflege kümmern. Der Statiker, der den Sockel unentgeltlich berechnet hat, wird ihn einmal jährlich überprüfen“, so Lange.

Streit mit der Stadtverwaltung

Mit der gleichen Leidenschaft, mit der er sein Projekt schildert, hat er sich damals in die Diskussion gestürzt und ist vielen auch auf die Füße getreten. Aber das ist nicht spurlos an ihm vorüber gegangen, „ich habe 15 Kilo abgenommen und konnte eine Weile nicht arbeiten“. Letztlich habe ihm die Diskussion aber geholfen. „Man kennt mich und mein Projekt jetzt im ganzen Land“, sagt der hauptberufliche Künstler.

In zwei bis zweieinhalb Monaten soll das S 21-Kunstwerk hoffentlich bereit zur Enthüllung sein. Das wird groß gefeiert. Nicht, weil er da so eitel sei. Sondern weil das zum Bahn-Projekt gehört. Wenn alle Feste gefeiert und alle Reden geschwungen sind, hofft er darauf, dass die Leonberger die Bäume nicht weiter als Hundeklo missbrauchen, sondern sein Werk annehmen: „Mein Anliegen ist es, die Bäume wieder in einen Park zu stellen. Schon vor über 100 Jahren haben sich die Menschen darunter Geschichten erzählt. Das sollen sie wieder tun.“