Schulleiter und Pädagogen im Altkreis sehen bei weniger Lehrkräften ihren Bildungsauftrag in Gefahr.

Leonberg - Das wäre eine katastrophale Entwicklung“, sagt die geschäftsführende Schulleiterin der Leonberger Schulen, Christiane Schwellinger über die Forderung des baden-württembergischen Rechnungshofes, in den nächsten zehn Jahren mehr als 14 000 Lehrerstellen abzubauen. Die Finanzkontrolleure haben nämlich der grün-roten Landesregierung ins Stammbuch geschrieben, dass der Zeitpunkt für Einschnitte gekommen sei – der Landeshaushalt könne nicht saniert werden, wenn im Bildungsbereich kein Personal eingespart werde. Werden die rund 14 100 Lehrerstellen abgebaut, könnten 785 Millionen Euro im Jahr eingespart werden, rechnen die Finanzfachleute vor. Der Rechnungshof beruft sich darauf, dass in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Schüler um etwa 100 000 zurückgegangen, die Zahl der Lehrerstellen hingegen aber um etwa 9000 gestiegen ist.

 

„Der grün-rote Koalitionsvertrag ist mit Bildungsaufbruch überschrieben. Wird nun gespart, dann ist vieles nicht möglich“, sagt Christiane Schwellinger, die Rektorin der Gerhart-Hauptmann-Realschule. „Das ist diametral dem entgegengesetzt, was politisch gewünscht und versprochen wurde“, so die Schulleiterin. Die sogenannte „demografische Rendite“ – weniger Schüler bei gleich bleibender Lehrerzahl – solle und müsse den Schulen zugute kommen.

Individuelle Förderung werde heute gefordert und groß geschrieben und dafür müsse es Ressourcen geben. „Wenn 30 Schüler in einer Klasse sind, dann kann von individueller Förderung keine Rede sein“, sagt die Pädagogin. „Der Rechnungshof sieht das Ganze unter dem finanziellen Aspekt, doch es geht um mehr, nämlich um Pädagogik.“ Zudem sei dies das falsche Signal in einer bildungspolitisch sehr unruhigen Zeit. „Wer Gemeinschaftsschulen will, der muss wissen, dass es die nicht zum Nulltarif gibt“, so Schwellinger. „Realschulen werden sowieso benachteiligt und das ist nicht korrekt“, findet die Rektorin. Ebenso kontraproduktiv sei es, dass immer häufiger bei den Beamten gespart werde. Die Verantwortung der Lehrer wachse, es werde immer mehr von ihnen erwartet und das bei immer weniger Geld. „Die Ernüchterung in den Schulen ist groß, denn wir haben mehr erwartet von der grün-roten Koalition“, lautet das Fazit der geschäftsführenden Schulleiterin in Leonberg.

„Das ist nicht das, was an Wahlversprechungen abgegeben wurde“, findet auch Jürgen Schwarz, der Schulleiter des Rutesheimer Gymnasiums. „Ich kann es mir nicht vorstellen, so wie wir jetzt ausgestatten sind, Lehrerstellen abzubauen und wir können es uns auch nicht erlauben, wollen wir den Anforderungen der Gesellschaft an die Schule gerecht werden.“ Trotz immer heterogener Klassen stehe die individuelle Förderung im Vordergrund, ebenso die Inklusion, die auf Vielfalt in der Bildung und Erziehung, auf individuelle Bedürfnisse der Schüler und auch die Einbeziehung von Schülern mit Behinderung setzt. „Ein Lehrer kann 30 Schülern einen guten Unterricht nicht mit dem gleichen Arbeitsblatt anbieten, da rufen die ersten nach fünf Minuten , dass sie fertig sind und andere nach 45 Minuten, dass sie nicht verstanden haben“, bringt es Schulleiter Schwarz bildlich auf den Punkt. „Der Rechnungshof macht die Rechnung finanzpolitisch auf, aber wir sehen das pädagogisch ganz anders.“

Der Rektor der Heinrich-Steinhöwel-Schule in Weil der Stadt, Jochen Holzwarth, betrachtet die Dinge vergleichsweise nüchtern. Wenn man sich die glatten Zahlen anschaue, dann falle auf, dass die Lehrer, je nach Standort, sehr unterschiedlich belastet seien. Gerade im ländlichen Raum würden immer wieder Jahrgänge zusammengelegt, damit überhaupt eine Klasse zustande komme. Da müsse man sich schon die Frage stellen, ob bei sinkenden Schülerzahlen noch so viele Lehrerstellen nötig seien. Seiner Meinung nach komme das Problem der Stellenkürzung vor allem bei der individuellen Förderung von einzelnen Schülern zum Tragen. „Fallen immer mehr Lehrer weg, dann leiden die Schüler darunter“, sagt Holzwarth. Da müsse sich die Politik ein gutes Konzept überlegen.

Doro Moritz betont, die Stellenstreichung widerspreche dem Koalitionsvertrag der Landesregierung. „Wenn die Stellen wegfallen, können die darin beschriebenen Reformvorhaben nicht umgesetzt werden“, sagt die Vorsitzende der Gewerkschaft und Erziehung und Bildung, die in Heimsheim lebt. Auch wenn schon aus Ressourcengründen nicht alle kleinen Schulstandorte und Klassen dauerhaft zu halten seien – „aus meiner Sicht muss die Landesregierung möglichst schnell ein sehr gutes Konzept für die regionale Schulentwicklungsplanung vorlegen“, so Moritz.