Wenn über Stuttgart die Sonne versinkt, tauchen die roten Kirchentags-Schals in der Stadt am Engelberg auf. Mehr als 600 Kirchentagsbesucher schlafen derzeit in den Gymnasien. Ein nächtlicher Rundgang.

Leonberg – Wo ist die Dusche? Bei Kirchentagstemperaturen von über 30 Grad ist das eine elementare Frage. Und die Antwort ist mittlerweile bekannt: Duschen in der Georgii-Halle, Frühstück in der Mensa Triangel und Schlafen im Gymnasium, lautet der Leonberger Kirchentags-Dreiklang an diesem Wochenende. „Die Ausstattung in den Schulen ist schon super“, sagt Sylvia Kilian-Heins.

 

Sie ist auf dem Weg zu ihrem Schlafplatz. Schlafplatz? Das heißt, Isomatte auf einem kalten Schulfußboden. „Oh je“, sagt sie, „wir sind abends immer so kaputt, da merkt man den harten Boden gar nicht mehr.“ Die Nordfriesländerin ist gerade mit der S-Bahn angekommen. Jetzt geht’s in das Johanneshaus, zum Nachtcafé. „Unsere Maultaschensuppe kommt an“, stellt Jürgen Oettel dort zufrieden fest. Er ist katholischer Pastoralreferent und seine Idee war es, dass sich auch die katholische Kirchengemeinde beim evangelischen Kirchentag engagiert. „Wenn wir die Ökumene als Christen hier vor Ort nicht hinbekommen, wer soll es dann schaffen?“, fragt Jürgen Oettel, muss dann aber wieder zum dampfenden Maultaschentopf.

Exotische Maultaschen?

Und die exotische Speise schöpfen. Das sind Maultaschen nämlich, zumindest, wenn man aus Bremerhaven kommt. So wie 13 Jungen und Mädchen, die sich gerade einen der Tische erobert haben. Noch schnell ein Süppchen, bevor es dann weiter ins Nachtquartier, dem Johannes-Kepler-Gymnasium, geht. Von dem ist Knut (15) schon ganz begeistert: „Hier ist der Himmel, unsere Schule in Bremerhaven ist dagegen ein Schrottplatz“, berichtet er. Gesprächsthema Nummer Eins ist aber der Kirchentag – und die Bilanz von Tobias (17) lautet kurz und knapp: „Bis jetzt alles super, aber extrem heiß.“ An die Einheimischen haben sie daher vor allem eine Frage: „Gibt es denn auch in Leonberg ein Freibad?“ – „Das ist der Grund, warum wir mit dem Nachtcafé eine Begegnungsmöglichkeit schaffen“, sagt Pastoralreferent Jürgen Oettel. Sich begegnen, Fragen zu beantworten, für andere da zu sein: „Es gibt bei Kirchentagen viele Alleinreisende. Die wollen wir zusammenbringen, und wenn nötig, auch seelsorgerliche Hilfe leisten.“

Das kommt an bei den Kirchentaglern. Am Nebentisch sitzen Klaus Grübener und Jürgen Jacob. „Die Leute hier in Leonberg sind alle sehr nett und zuvorkommend“, sagen die beiden Mittelhessen. Auch so ein Nachtcafé gebe es nicht überall. Da kann man die Eindrücke vom Tag gut verdauen – und da gibt es bei einem Kirchentag traditionell viele. „Besonders beeindruckt hat mich, wie heute der Finanzminister über eine Bibelstelle gepredigt hat, in der es um Schuldenerlass geht“, erzählt etwa Klaus Grübener. Denn das Themenspektrum ist groß, von der Bibel reicht es bis zum Thema Verkehrslärm. So ist beispielsweise auch die Leonberger Arbeitsgemeinschaft Verkehrslärm Region Leonberg (AGVL) mit einem Stand vertreten. „Ich war auch schon vor zwei Jahren in Hamburg dabei, unser Stand war ein Höhepunkt“, sagt AGVL-Sprecher Ewald Thoma.

Gelebte Ökumene

Vom Kirchentag hat auch Thomas Koser-Fischer zu erzählen. Der evangelische Gartenstadt-Pfarrer hat sich tagsüber unter die Menschenmassen gemischt. „Da gibt es beispielsweise eine Atelierkirche, in der Künstler wirken“, sagt er, „das interessiert mich, weil da auch mein Sohn mitarbeitet.“ Jetzt muss sich Thomas Koser-Fischer aber fertig machen, es ist elf Uhr abends, der evangelische Pfarrer hält heute in der katholischen Johanneskirche das Nachtgebet. „Das ist heute der erste Fronleichnamsgottesdienst meines Lebens, den ich halte“, sagt er schmunzelnd.

Nachtcafé und Nachtgebet – wer so gestärkt ist, kann beruhigt sein Nachtquartier aufsuchen. „Ihren Ausweis bitte“, sagt Thomas Classen. Er steht im Eingang vom JKG und kontrolliert alle 350 Kirchentagsbesucher, die zu später Stunde hier herein strömen. „Ich war selber schon bei einigen Kirchentagen“, sagt der Leonberger Katholik, „da war es für mich klar, dass ich mithelfe, wenn er zu uns kommt.“

Von 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens geht die Schicht von Thomas Classen die ganze Nacht durch. Maria, Lea und Emma können sich also in ihrem Appartement sicher fühlen. Ihr Appartement ist ein Klassenzimmer im zweiten Stock, wo sich die 16-Jährigen gerade in ihren Schlafsack mummeln. „Nein, eine Zimmerparty gibt es jetzt nicht mehr“, berichtet Lea, dazu war der Tag viel zu anstrengend. Er hat ja auch ganz schon früh begonnen, schon vor sechs Uhr morgens gehen die ersten in Richtung Dusche.

Allerdings muss es schnell gehen, bereist um 9 Uhr morgens schließen die Unterkünfte für den Tag. Davor gibt es allerdings Frühstück. „Das ist auch richtig toll, weil wir so viel Brötchen bekommen, wie wir wollen“, sagt Emma. Und auch ihr Kumpel Frederic kommt zu seiner Leibspeise: „In diesem Jahr gibt es sogar Marmelade – das ist richtiger Luxus.“