Jannik Steiner hat sich auf einem „Airwheel“ fortbewegt. Damit hat er gleich zwei Straftaten begangen.

Leonberg - Klein, praktisch und kompakt flitzt es durch die Straßen – etwa auf dem Weg in die Schule. In Höfingen schnell zum Bahnhof, dann weiter zur Gerhart-Hauptmann-Realschule in der Stadtmitte. In der S-Bahn und der Schule packt er sich das handliche Teil schnell unter die Arme. Besonders praktisch ist es auch nachmittags, wenn er in Höfingen Zeitungen austrägt – und damit die Arme für das Austrägerwägelchen frei hat.

 

So dachte sich Jannik Steiner das. Und kaufte sich deshalb von seinem Taschengeld vor einem Jahr ein Airwheel, also ein Einrad, das es elektrisch betrieben bis zu Tempo 15 bringt. „Ideal für Pendler“, war zudem in der Werbung zu lesen. „Und auch die Polizisten, die ja neben der Realschule ihren Sitz haben, haben mir immer nett zugewunken“, erzählt Jannik Steiner.

Zwei Strafanzeigen hat Jannik Steiner bekommen

Bis Februar. Da waren die Beamten plötzlich nicht mehr nett, sondern haben Jannik Steiner angehalten. Das Ergebnis: ein Brief der Staatsanwaltschaft mit zwei Strafanzeigen für den 16-Jährigen. Eine Anzeige, weil Airwheels in Deutschland nicht zugelassen sind. Und selbst wenn es erlaubt wäre, bräuchte man dafür einen Führerschein – deshalb die zweite Anzeige.

Ulrike Steiner, die Mutter, hat ihren Augen nicht getraut. „Das wäre jetzt dieselbe Straftat, als wenn unser Sohn mit unserem Auto rumgefahren wäre“, sagt sie empört.

Denn mit den Strafanzeigen für den Minderjährigen haben die Probleme erst begonnen. Weil Jannik nämlich straffällig wurde, lud das Jugendamt die komplette Familie vor, durchleuchtete die Familienverhältnisse.

„Der Beamtin dort war das selbst schon ein bisschen peinlich“, erinnert sich Ulrike Steiner. Aber nicht nur das bleibt ihr unverständlich. „Warum haben die Polizisten so lange zugesehen und dann plötzlich zugeschnappt?“, fragt sie sich. Sie vermutet eine interne Fortbildung, mahnt aber an: „Das müsste ja dann einer breiteren Öffentlichkeit mitgeteilt werden!“ Peter Widenhorn, der Polizeisprecher, gibt zu, dass nicht jeder seiner Kollegen sofort über jede Neuerung Bescheid weiß: „Sie werden nach und nach in Kenntnis gesetzt.“

In der Mobilitätshilfenverordnung sind Airwheels nicht aufgeführt

Dennoch hätten diese richtig gehandelt. „Das Airwheel ist in Deutschland nicht zugelassen und darf hier deshalb nicht betrieben werden“, erklärt Widenhorn. Auf öffentlichen Straßen dürfe nämlich nur herumfahren, was in der „Mobilitätshilfenverordnung“ verzeichnet sei. „Und da stehen eben E-Bikes drin, auch Segways, nicht aber die Airwheels“, sagt Polizeisprecher Widenhorn.

Jannik Steiner hat sein Airwheel sofort verkauft, als er die zwei Anzeigen im Briefkasten hatte. Am Ende ist er noch mal glimpflich davongekommen, lediglich ein Verkehrsseminar musste er besuchen.

„Selbst bei dem Seminar mussten alle schmunzeln, als ich erzählt hab’, warum ich da bin“, erzählt der 16-Jährige. Und auch seine Mutter schüttelt noch immer mit dem Kopf, wenn sie über den Fall nachdenkt. „Ein Airwheel ist umweltfreundlich und deutlich weniger gefährlich als Fahrräder oder E-Bikes“, ist Ulrike Steiner überzeugt.

Jetzt will sie vor allem andere Jugendliche und deren Eltern vor dem gleichen Erlebnis bewahren und deshalb aufklären. „Klar, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, sagt sie. „Aber dass man auf so einem Gefährt gleich zwei Straftaten begeht, das sollten auch andere wissen.“