Martin Killinger und Jens Schneider müssen erstmals den Narren das Regieren überlassen.

Leonberg/Rutesheim - Durchs Mikrofon ruft Oberhexe Melanie Tillhard: „Schultes, komm’ raus!“ Martin Killinger öffnet um Punkt 12.30 Uhr am Schmotzigen Donnerstag das Fenster im ersten Stock des Rutesheimer Rathauses. Der Erste Beigeordnete vertritt die erkrankte Bürgermeisterin Susanne Dornes. Nicht in Lumpen, sondern in einen Müllsack ist er gehüllt, an dem jede Menge Reste von Verpackungen kleben. Vor dem Eingang haben sich seine Mitarbeiter positioniert und verteidigen ihr Rathaus. In den neongelben Arbeitssachen sind die Angestellten des Bauhofs gut zu erkennen – übrigens farblich passend zum Häs der Ruademser Gumpa-Hexa, deren Ansturm sich die Rathausmitarbeiter zu erwehren versuchen.

 

Doch bevor der Sturm richtig losgeht, wird erst einmal getanzt. „Mach die Robbe“ tönt es und vier Hexen üben sich im Robbentanz auf dem harten Pflaster. Doch auch eine Squaredance-Einlage gemeinsam mit dem Publikum gibt es. Immerhin sind auch viele Kinder unter den Zuschauern. „Es braucht schon mehr als diese Hexenmeut – um zu verscheuchen die tollen Rathausleut“, ruft Killinger. Die Schulen und Mensen sind doch spitze. Und die Wohnungspreise doch nur so hoch, weil Rutesheim eben perfekt ist und alle herziehen wollen, aber keiner weg. Doch alles reden und verteidigen hilft nicht. Am Ende wird der Beigeordnete verhaftet und muss den Schlüssel zum Rathaus rausrücken. „Eine tolle Stimmung und tolle Menschen“, sagt ein ausgelassener Martin Killinger. „Nächstes Jahr darf aber gern wieder Frau Dornes.“ Darauf hofft auch Melanie Tillhard. „Wir wünschen ihr alles Gute.“ Killinger habe seine Sache aber sehr gut gemacht. Wie auch die Rathausmitarbeiter, die die ganze Veranstaltung auf die Beine gestellt haben.

„Bürgermeister, komm raus“

Ob es seinem „Amtskollegen“, dem neuen Warmbronner Ortsvorsteher Jens Schneider, da besser ergeht? Es ist kurz vor zwei, die Sonne scheint auf den gut gefüllten Platz vor dem Warmbronner Bürgerhaus. Familien mit kleinen Kindern und andere Freunde der Fasnet warten auf den Rathaussturm. Beerlesklopfer, Kienholzweiber, Leicha-Hexa und Lewenbercher, dazu das Prinzenpaar des 1. Karnevalvereins Leonberg sind ebenfalls da. Die Leo Valentinos sorgen mit Guggenmusik für gute Stimmung und die Gardemädels der Gesellschaft Engelberg bringen die Menge zum Tanzen.

Um 14 Uhr ist es soweit, die ersten Schreie ertönen, „Schultes komm raus, des Rathaus gehört wieder uns!“, „Bürgermeister komm heraus!“, „Bürgermeister gib einen aus!“ Dann öffnet sich das Fenster, eine mit Kassenbons überhäufte Person wirft gelassen Bonbons in die Menge. Es ist Jens Schneider, entspannt wartet er auf die Forderung der Narren. Dann fliegen die ersten Kassenbons und die Beerlesklopfer fordern den Bürgerhausschlüssel. Nach langem Hin und Her über Trump, Elvis und die Kassenbonpflicht gibt Schneider den Kampf auf: „Ich gebe mich jetzt aber doch geschlagen – da hast Du den Schlüssel.“

OB Cohns Double

Dann holen ihn die Beerlesklopfer aus seinem Regierungssitz. Bei fröhlicher Guggenmusik schunkelt und feiert die Menge. Die Garde leitet eine Polonaise ein und zieht die Leute in ihren Bann. Jens Schneider ist mittendrin und genießt die gute Laune der Warmbronner. Nach einer halben Stunde erklingt das letzte Lied und die Warmbronner lassen den Nachmittag in der Sonne und im Bürgerhaus ausklingen.

Aber wie ist es dem neuen Ortsvorsteher bei seinem ersten Rathaussturm ergangen? „Natürlich ist eine gewisse Spannung dabei, wenn man nicht weiß, was der Andere antwortet. Aber aufgeregt war ich nicht, wir haben uns sehr darauf gefreut“, sagt Jens Schneider, der schon beim Sturm auf das Alte Rathaus in Leonberg als Double für Oberbürgermeister Martin Georg Cohn im Einsatz war. Seine Gelassenheit hat also nicht getäuscht.