Ein Paar setzt sich mit seiner Klage durch: Richter erklärt das Zwei-Stunden-System für nicht rechtens.

Leonberg - Im Quartier Goethe-, Annette-Kolb-, Herder- und Agnes-Miegel-Straße können Anwohner und Besucher in Kürze wieder ohne Beschränkungen parken. Das Verwaltungsgericht Stuttgart gab am Mittwoch einem Mann und einer Frau in der Sache Recht, die gegen das Parkscheibensystem geklagt hatten: Fremde dürfen dort mehr als zwei Stunden parken. „Für die verkehrsrechtliche Anordnung fehlte schlichtweg die Rechtsgrundlage“, erklärte der Vorsitzende Richter Wolfgang Gaber.

 

Der Vizepräsident des Verwaltungsgerichtes sparte nicht mit Kritik an der Stadt. „Die Akten sind ziemlich ungeordnet“, monierte er. Zudem sei bei der Anordnung die Annette-Kolb-Straße nicht genannt worden. Die Stadt hatte in den vier Straßen 86 Stellplätze ausgewiesen und 66 Anwohnern Ausweise für jeweils 100 Euro erteilt, mit denen diese den ganzen Tag dort stehen dürfen. Die Entscheidung war auf Wunsch von Anwohnern getroffen worden, da diese beklagt hatten, dass vor ihrer Haustüre keine Parkplätze zu finden seien und häufig Einfahrten zugestellt wären.

Ordnungsamt: Dort herrscht massiver Parkdruck

Der Ordnungsamtsleiter Jürgen Beck erklärte, dass in diesem Bereich „ein massiver Parkdruck“ herrsche: „Die Altstadt ist in unmittelbarer Nähe, das Finanzamt gegenüber und die Leonberger Kreiszeitung wenige Meter entfernt“, erklärte er.

Richter Gaber kritisierte jedoch, dass die Voraussetzungen für das Parkscheibensystem nicht ausreichend geprüft worden seien. Das Gesetz verlange die Prüfung, ob ein Parkdruck überhaupt vorliege, ob zu wenige private Stellflächen vorhanden seien und in fußläufig zumutbarer Entfernung keine anderen Parkmöglichkeiten lägen.

„In Stuttgart ist das für einen Bereich einmal sehr umfassend geprüft worden, da wurden sogar Gutachten eingeholt“, sagte Gaber. Leonberg habe hingegen großzügig Ausnahmegenehmigungen vergeben und somit die Ausnahme zur Regel gemacht. „Damit stellen Sie die Rechtsgrundlage auf den Kopf“, betonte der Richter.

Klägerin ist von der Stadt enttäuscht

Die klagende Frau betonte, sie sei von der Stadt enttäuscht, weil diese sich ihr gegenüber nicht korrekt verhalten habe. „Es wurden Zusagen nicht eingehalten, und die Akten, die ich bekommen habe, waren lückenhaft“, erklärte sie. Ihrer Forderung, dass die Stadt die Bußgelder zurückzahlen müsse, erteilte der Richter aber eine Absage: „Zum damaligen Zeitpunkt haben sie der Rechtslage entsprochen.“ Das Gericht konnte aus formalen Gründen den Klagen der beiden Leonberger, die übrigens außerhalb des betroffenen Viertels wohnen, nicht einfach stattgeben. Da aber in der Kommunikation mit den Behörden vieles falsch gelaufen sei, schlug Gaber als Vergleich vor, dass das Regierungspräsidium die Parkscheibenregelung für das Viertel wieder aufhebt und die Schilder abgebaut werden.

„Dann sind die rechtmäßigen Zustände wieder hergestellt“, meinte Richter Wolfgang Gaber. Er stellte aber auch klar, dass die Stadt Leonberg natürlich die Möglichkeit habe, in einem neuen Verfahren die Parkscheiben in dem Quartier wieder einzuführen.

Ob es dazu kommen wird, wollte der Leonberger Ordnungsbürgermeister Ulrich Vonderheid (CDU) noch nicht sagen. „Wir müssen die Entscheidung des Gerichts und des Regierungspräsidiums erst genau analysieren“, erklärte er. Die Stadt habe mit der Parkscheiben-Regel eine Entscheidung für die Bürger treffen wollen und nicht gegen sie. Der Impuls dazu sei schließlich aus der Bürgerschaft gekommen. Der Gemeinderat habe daraufhin die jetzt gekippte Regel beschlossen.