Krankenhaus-Kater Charly muntert nicht nur die Patienten auf. Hier berichtet er uns von seinen Streifzügen.

Leonberg - Hallo! Ich bin Charly. Manchen von euch bin ich auf meinen ausgedehnten Streifzügen schon begegnet. Meine Mama sagt, sie wüsste gar nicht, was sie falsch gemacht hat bei meiner Erziehung, weil ich gerne mal verschwinde. Ihre anderen Kinder täten das auch nicht, schimpft sie. Aber es ist ja nicht meine Schuld, wenn sie mit ihren zwei Beinen und dem langen Rücken nicht durchs Gebüsch kommen, oder? Und meine Freundin Ronja kommt zwar durchs Gebüsch, aber sie ist eine kleine Angstkatze. Sie begleitet mich immer nur ein kleines Stück und geht dann wieder heim. Mein Bruder, hat meine Mama neulich erzählt, sei der gleiche Abenteurer. Vielleicht ist es ja was Genetisches?

 

Meistens gehe ich den gleichen Weg, aus der Haustür raus, am Baum vorbei, die Treppe hoch und ab durch die Hecke, erst mal in Richtung Bahnhof. Meine Familie vermutet, dass ist wegen der Mäuse auf den Gleisen, aber eigentlich ist es wegen der vielen netten Zweibeiner, die mich oft erstaunt anschauen, die: „Na, mein Hübscher, wo kommst du denn her?“ sagen und mich dann zwischen den Ohren kraulen. Naja, und wegen der leckeren Salami, die ich beim Bäcker kriege, bevor ich mich im Kiosk ein bisschen hinlege. Manchmal hab ich Glück und schaffe es in den gemütlichen Aktenschrank hinter dem Fahrkartenschalter, aber da geh ich nur hin, wenn ich echt müde bin.

Die Fahrt mit dem Polizeiauto

Aber ehrlich gesagt, seit ich den Job im Krankenhaus angefangen habe, bin ich nicht mehr so oft am Bahnhof. Einer meiner Ausflüge zu Aldi hat nicht gut geendet, ich wurde angefahren und verletzt liegengelassen. Meine Familie war furchtbar aufgeregt. Naja, es sind eben nicht alle Menschen gut. Obwohl ich schon viele nette Bekanntschaften gemacht habe, ich bin sogar schon mit dem Polizeiauto nach Hause gebracht worden. Es war wirklich nett, dass sie mich mitgenommen haben.

Meine Mama fand das auch, mit ihr haben die Polizisten noch lange geredet, ich hab aber nicht lange zugehört. Als die Rede war von „besser aufpassen“ und „sollte nicht noch öfter vorkommen“, bin ich zu Ronja ins Körbchen gekrochen. Ich war rechtschaffen müde, es war schließlich eine lange Fahrt von Böblingen zurück nach Hause. Hatte ich das nicht erwähnt? Ich hab ganz alleine einen Ausflug in die große Kreisstadt gemacht. Allerdings hab ich mich dort furchtbar erschreckt und bin sicherheitshalber mal am Bahnhof den Baum hoch. Ja, ganz hoch. Natürlich wäre ich auch von alleine wieder runtergekommen, aber wo die Feuerwehr schon mal da war, wollte ich sie nicht enttäuschen und hab wirklich ganz geduldig gewartet, bis sie endlich mit der großen Leiter kamen. Das war ein Moment, wo es gut war, dass ich die Telefonnummer meiner Familie gut sichtbar am Halsband trage, damit sie angerufen werden können, wenn was ist.

Doch eigentlich wollte ich ja von meiner Tätigkeit im Krankenhaus erzählen. Es ist nicht immer einfach, an meinen Arbeitsplatz zu gelangen. Manchmal werde ich gleich an der Tür auf den Arm genommen und wieder nach draußen bugsiert. Dann arbeite ich eben im Freien bei den Menschen, die draußen sind, ich glaube, an diesen Tagen brauchen die mich nötiger. Wenn ich aber Innendienst habe, dann geht es einmal geradeaus durch den ganzen Stock. Da hab ich sogar schon mal meine Mama getroffen, die da gewartet hat. Ich wollte mich an ihr vorbeischleichen, aber sie hat mich gleich erkannt, und schon war ich wieder draußen.

Auch meine Kollegen in den weißen Kleidern sind nicht immer so nett zu mir, ich glaube, sie sind eifersüchtig, weil sie sich nicht in die Patientenbetten legen dürfen so wie ich … aber das mach ich auch nur in Ausnahmesituationen. Meistens such ich mir einen bequemen Stuhl, zuerst unten in der Anmeldung, und warte, bis ich gebraucht werde. Aber ich muss gestehen, neulich habe ich mich vorsichtshalber mal in der Seniorenresidenz am Marktplatz umgesehen, heutzutage weiß man ja nie.

Rein – und meist schnell wieder raus

Aber ich würde meine Freunde vermissen, zum Beispiel den Friseur am Krankenhaus. Ich finde das absolut spannend, was er mit dem bisschen Fell auf dem Kopf seiner Kunden anstellt. Ich meine, unsereiner hat ja genügend Fell. Aber vielleicht sind die Menschen deshalb so penibel mit ihrem Fell, weil sie so wenig davon haben? Wenn ich über solche Dinge nachdenken muss, gehe ich gerne zur Kfz-Stelle. Da hab ich meinen eigenen Stuhl, auf dem ich ein Schläfchen … äh, nachdenken kann.

Allerdings war ich jetzt eine ganze Weile außer Gefecht gesetzt. Ich hab mir das Becken gebrochen, ich musste sogar sieben Wochen zur Reha bei meinem Arzt, weil die OP-Wunde so schlecht geheilt ist. Zum Glück konnte mich meine Familie jeden Tag besuchen, aber in der Praxis waren auch alle sehr nett zu mir, morgens durfte ich öfter die Räume inspizieren, bevor die Laufkundschaft kam. Aber jetzt bin ich doch froh, wieder zuhause zu sein.

Und damit eines klar ist: Ich liebe es, jeden Tag Neues zu erleben, neue Menschen kennenzulernen und alte Freunde zu besuchen. Aber noch mehr liebe ich meine Familie. Wenn meine Mama oder einer ihrer Welpen, manchmal auch ihr Kater, mich nach einem langen, harten Tag abholen, dann ist das für mich der schönste Augenblick des Tages. Dann kuschel ich mich in ihren Arm und lass mich nach Hause tragen, und dann ist meine Welt in Ordnung.