Das Solitude Revival findet bei hochsommerlichen Temperaturen wegen Corona nur im familiären Kreis ohne Zuschauer statt – mit beeindruckenden Boliden aus der Vorkriegszeit.

Leonberg - Kein Solitude-Rennen hat der 81-jährige Fritz Ludmann aus Gerlingen damals als Fan ausgelassen. Nur die letzte Veranstaltung im Jahr 1965 – mit Motorradläufen, Sportwagen und Formel 2 – hatte er leider verpasst. „Genau an diesem Wochenende habe ich geheiratet, mein Schwiegervater bestand auf dem Termin, was mich richtig geärgert hat“, sagt Ludmann und lacht. Seinem Schwiegervater hat er das längst verziehen. Ludmann ist selbst kleinere Rennen mit seiner NSU gefahren. Seine zweite Leidenschaft waren Hochrad-Fernfahrten. Da fuhr er schon mal in 60-Kilometer-Tagesetappen von der Solitude bis Paris oder nach Budapest. Am Wochenende war Fritz Ludmann natürlich auch wieder am Schloss Solitude, als die 20 Boliden aus der Vorkriegszeit in den Hof einfuhren.

 

Wegen Corona ist in diesem Jahr das ursprünglich geplante Solitude Revival mit gut 400 historischen Rennfahrzeugen ausgefallen. Ein gesellschaftliches Ereignis, das in der Regel Motorsportfans aus der ganzen Welt anlockt. So ganz ohne akustische und optische Schmankerl sollte es aber dann doch nicht sein. Also haben sich die Organisatoren um Thomas Itte für eine kleinere Variante entschieden, die unter dem Motto „99 Jahre Solitude Automobilrennen“ stand.

Ein erlesener Kreis Oldtimer-Fans, die mit ihren Schmuckstücken allein aus der Region anreisten, traf sich an der Boxenanlage gegenüber dem ADAC -Verkehrsübungsplatz in Leonberg, zu einer „familiären“ Gedenkfahrt ohne Zuschauer. Das dunkle, tiefe Röhren der Motoren – Musik in den Ohren. Die Luft – benzingeschwängert. Und weil die Temperaturen so hochsommerlich perfekt waren, fuhren alle im Konvoi die 11,7 Kilometer lange Solitude-Rennstrecke gleich zweimal – Thomas Itte: „Ich hoffe, ihr habt alle genügend Benzin im Tank“ – ehe sie sich am Schloss Solitude trafen.

Mit dabei war der Stuttgarter Sepp Ziegler, ein pensionierter Automechaniker, der sich seinen Oldtimer aus zahlreichen, im Internet erworbenen Einzelteilen, selbst zusammen schraubte. Seit sieben Jahren gehört er nun schon zur „Solitude-Familie“. Seine Ausflüge mit Freunden, die gerne auch über die Alpen führen, genießt er in vollen Zügen. „Mit diesen Autos darf man alles, die Leute freuen sich, wenn sie uns sehen.“ So parkten sie einmal in einer italienischen Fußgängerzone nahe ihrem Ziel, einer Eisdiele. Als die Polizei kam, sei auch die begeistert gewesen. Mit den anerkennenden Worten „bella macchina“, und nachdem sie die schönen Autos bestaunt hatte, ging sie, ohne weitere Ermahnung, ihres Weges.

Als 1903 die ersten Motorräder am Solitude-Rennen teilnahmen, waren Automobile noch nicht zugelassen. Erstmals starteten am 18. Juni 1922 Rennwagen beim Bergrennen – der Ursprung des Solitude-Klassikers. Los ging es damals beim Schützenhaus in Heslach. Die Strecken – sieben Kilometer lang. 1923 schickte Mercedes den Möglinger Otto Salzer an den Start, der bereits vor dem ersten Weltkrieg bei zahlreichen internationalen Rennen erfolgreich war und der als erster deutsche Profi-Rennfahrer gilt. Zum 99-Jahr-Jubiläum hatten die Organisatoren nun Salzers Urenkel Ingmar Jännsch kontaktiert und als Ehrengast eingeladen. Diese Einladung nahm der Untertürkheimer gerne an.

Im kühleren Schatten eines Torbogens des Schlosses Solitude nahm ein Trio Platz, das Renngeschichte geschrieben hat. Der Leonberger Eberhard Mahle (88) hatte 1959 gleich zwei Solitude-Rennen gewonnen, landete im dritten auf Rang drei. Egal ob Rallye, Bergrennen oder Rundstrecke – in seiner Karriere fuhr er 150 Siege ein. Er war ein Multitalent im Rennsport. Sein Vater war damals immer dagegen gewesen, dass der Sohn Rennen fuhr. Der 93-jährige Hans Herrmann überlebte den einen oder anderen schweren Unfall und gar eine Entführung. Der Maichinger startete unter anderem 1963 beim Solitude-Rennen, als gut 400 000 Zuschauer die Strecke säumten und die Autobahn kurzfristig zum Parkplatz umfunktioniert wurde.

Die Veranstaltung war schon immer ideal für die Netzwerker im Motorsport, die damals natürlich noch nicht so hießen. Das weiß auch der Dritte im Bunde der „Legenden“, Prinz Leopold von Bayern, von allen nur „Poldi“ genannt. Der 77-Jährige ist der Ur-Ur-Urenkel von König Ludwig I. Berühmt wurde er nicht nur als Rennfahrer, sondern auch als Mitglied des legendären „Trio Infernale“. Er und seine Kollegen sowie Freunde Hans-Joachim Stuck und Dieter Quester waren bekannt für die Streiche, die sie vor allem in den Fahrerlagern anderen Kollegen spielten. Am Wochenende war er als Präsident und Botschafter des neu gegründeten „Royal Bobsleigh & Automobil Club“ ein Ehrengast auf der Solitude. Der Club hat sich unter anderem Charity zum Ziel gesetzt. Ganz nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber.