Bis 2020 könnte die Marke von 50 000 Einwohnern geknackt werden. Wie sich die Stadt bis dahin entwickeln soll, darüber diskutiert der Baubürgermeister Klaus Brenner mit Vertretern der Immobilienwirtschaft. Nicht alle Investitionen lohnten sich.

Leonberg - Für einen Blick in die Zukunft ist es oft nötig, auch einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Besonders beim Thema Stadtentwicklung, um das es jüngst bei einem Netzwerk-Treffen der Immobilienwirtschaft Stuttgart gegangen ist. Die hatte in die Räume von Mörk-Bau in Leonberg eingeladen.

 

„In den 70er Jahren hat sich ein extremes Wachstum vollzogen. Innerhalb von zehn Jahren ist die Bevölkerung von 25 000 auf 38 000 Einwohner gewachsen“, eröffnete Moderator Axel Ramsperger die Podiumsdiskussion. Bei solch extremen Veränderungen habe es entsprechend auch extreme Bauprojekte gegeben. Das Leo-Center nannte er dabei als ein Beispiel und fragte sogleich Leonbergs Baubürgermeister Klaus Brenner, ob der Stadt nun eine derartige Entwicklung erneut bevorstehe. Denn sollten alle Prognosen zutreffen, überschreitet die Große Kreisstadt bis 2020 die Marke von 50 000 Einwohnern. Und die müssten schließlich irgendwo wohnen, arbeiten, einkaufen, parken und Auto fahren, ganz zu schweigen vom Betreuungs- und Freizeitangebot. Wie also soll das gestemmt werden?

„Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Stadt hat sich damals ohne Konzept entwickelt. Und wir haben jetzt ein Konzept“, erwiderte Brenner, der zuvor bereits die wichtigsten Bauprojekte – vom Rathaus-Neubau über das Gewerbegebiet Leo-West bis hin zum Brückenschlag – skizziert hatte.

Stuttgarter Verhältnisse oder unteres Limit?

Mehr noch als die Frage, warum das alte Leobau-Gelände so lange brach liegt, beschäftigte ein anderes Problem die Diskutanten: die Mietpreise am Engelberg. „Der Mietspiegel ist so niedrig, das hält vielleicht Investoren ab“, warf Moderator Ramsperger provokativ in die Runde und lieferte gleich Preise mit: 14 Euro pro Quadratmeter für Wohnungen und 10,50 Euro pro Quadratmeter für Büroflächen. „Das sind schon fast Stuttgarter Verhältnisse“, entgegnete Klaus Brenner und auch der Leonberger Wirtschaftsförderer Benjamin Schweizer sprang ihm bei. „Die Mietpreise liegen im Mittel für den Landkreis Böblingen“, erklärte er. Es gebe außerdem genügend interessierte Investoren.

„Für uns Immobilienmakler ist es aber die untere Grenze. Für diese Mietpreise lohnt sich die Investition nicht“, entgegnete Ramsperger, seines Zeichen selbst Immobilienspezialist bei Blue Estate, einer Tochterfirma der Südwestbank. Das sei nur möglich, wenn die Grundstückspreise sinken würden. Aber selbst die Stadt verkaufe ihre eigenen Grundstücke immer nur an den Meistbietenden.

Der Geschäftsführer des Leonberger Bauunternehmens Mörk, Matthias Schäfer, sah die Ursache weniger im Wohnungsmarkt. „Das Gastronomie- und Warenangebot in Leonberg bewegt sich im unteren und mittleren Bereich“, analysierte er. „Viele Leonberger sagen, dass das Handelsangebot nicht ausreichend ist und haben da teilweise auch recht“, merkte Thomas Slotwinski an. Der Redaktionsleiter der Leonberger Kreiszeitung war ebenfalls aufs Podium gebeten worden.

Auch das Handel ist unter Druck.

Viele Leerstände, Kaufkraft, die nach Stuttgart oder ins Internet abwandert – die Ursachen sind vielfältig. „Es gibt auch eine Neigung der Leonberger, ihre eigene Stadt schlecht zu reden und vorhandene Angebote nicht wahrzunehmen“, meinte Slotwinski. „Der Einzelhandel steht zudem unter Druck. Der Teil des Einkommens, den die Menschen für den Warenkauf ausgeben, wird seit Jahren immer kleiner“, erklärte Klaus-Peter Regler, der Chef des Leo-Centers. Gleichzeitig wachse die verfügbare Handelsfläche.

So standen sich auf dem Podium die Kenner der Leonberger Verhältnisse und die möglichen Investoren, Bauträger und Vermarkter mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln gegenüber. Hier die Stadt, die derzeit eine kommunale Wohnraumstrategie erarbeitet und auf Innenverdichtung und -entwicklung setzt – schließlich steht kaum noch entwickelbare Fläche zur Verfügung. Auf der anderen Seite eine Branche, in der es um Gewinnmaximierung geht und nicht um Stadtentwicklung. Und dennoch entstehen am Engelberg derzeit mehrere neue Wohngebiete und ein Gewerbegebiet. Weil es eben doch geht, gehen muss, miteinander Dinge zu entwickeln.

Etwa den Brückenschlag, der die Altstadt mit dem Rathaus-Neubau und im weiteren Verlauf auch mit der neuen Stadtmitte verbinden soll. „Sonst wird Leonberg von anderen Kommunen überholt“, merkte LKZ-Redaktionsleiter Slotwinski an. Gastgeber Matthias Schäfer von Mörk-Bau durfte zum Schluss noch einen Wunsch äußern: „Die Vergangenheit lässt sich schwerlich ändern. Aber wir können Leonberg schöner und besser machen, damit die Sünden nicht mehr vorkommen.“