Der Angeklagte gibt bei Verfahrensbeginn zu, auf das Opfer geschossen zu haben. Die Verteidigung sieht die Tat als Notwehr. Der politische Hintergrund wird vor Gericht bestätigt – der Angeklagte und sein Anwalt stammen aus der rechten Szene.

Leonberg - Im März 2011 kommt es in der Leonberger Altstadt zu einem Streit zwischen Jugendlichen. Ein 22-Jähriger aus der rechten Szene schießt seinem Gegenüber aus kurzer Entfernung mit einer Gaspistole ins Gesicht. Das Opfer, das dem linken Spektrum angehört, wird schwer verletzt, seine Sehkraft in einem Auge ist bis heute stark eingeschränkt. Am Donnerstag hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Schützen begonnen.

 

Kurz vor 9 Uhr sammeln sich rund 20 Demonstranten aus dem politisch linken Spektrum vor dem Gericht am Leonberger Schloss. Sie werden bereits von einer kleineren Gruppe Neonazis erwartet. Die Polizei ist mit Dutzenden Einsatzkräften und einer Hundestaffel vor Ort. Jeder, der in den Sitzungssaal will, muss sich einer strengen Leibesvisitation unterziehen.

„Der Geschädigte ist mit erhobener Faust auf mich zugerannt, da habe ich meine Waffe gezogen und abgedrückt“, lautet das Geständnis des 22-jährigen Beschuldigten. Der Anklageschrift zufolge trafen in der Nacht auf den 12. März vergangenen Jahres drei Männer aus der rechten Szene auf drei Linke. Das spätere Opfer und der Anführer der Neonazis lieferten sich ein hitziges Wortgefecht. Dann mischte sich der Angeklagte ein. „,Ich war damals beim Angriff auf euren Infotisch dabei und habe dafür nur eine Geldstrafe bekommen’, hat er sich gebrüstet“, sagt einer der sechs Zeugen vor dem Amtsgericht aus. „Ich habe mich wegen dieses Spruchs zu ihm umgedreht. Da hat er mir unvermittelt und ohne Warnung ins Gesicht geschossen“, ergänzt der Geschädigte.

„Für mich sieht das wie ein Fall von Notwehr aus“, erklärte der Verteidiger des mutmaßlichen Schützen. Der Anwalt ist in der rechtsextremen Szene selbst kein Unbekannter. Der Jurist Steffen Hammer wurde als Sänger der Rechtsrock-Band „Noie Werte“ bekannt.

„Die Waffe war genau vor meinem Gesicht“, sagt das Opfer aus, „ich musste wegen meiner Verletzungen zwei Mal operiert werden. Eine dritte OP steht mir noch bevor.“ Es seien Partikel ins linke Auge eingedrungen. Durch die entstandenen Narben breche sich das Licht nicht richtig und er sehe unscharf. Durch den Schuss erlitt der heute 19-Jährige außerdem Schmauchspuren und Verbrennungen im Gesicht. „Ich dachte, so eine Waffe kann keinen großen Schaden anrichten“, sagt der Angeklagte. „Als ehemaliger Soldat müssten Sie das allerdings besser beurteilen können“, entgegnet die Staatsanwaltschaft.

Die Gruppe um den mutmaßlichen Schützen versuchte nach der Tat, ihre Spuren zu beseitigen. „Sie haben bei der Polizei falsche Angaben gemacht“, wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten und seinen damaligen Begleitern vor, „Sie haben außerdem versucht, ein falsches Alibi zu konstruieren und Beweismittel verschwinden zu lassen.“

Die Kleidung, die der Beschuldigte am Abend der Tat getragen hatte, wurde später in einem Seesack im Haus eines seiner Begleiter gefunden. „Ich habe die Sachen zu mir geholt, weil wir dachten, dass meine Wohnung nicht durchsucht werden würde“, sagt der Zeuge. Die damalige Freundin des Angeklagten, die die Tat aus sicherer Distanz beobachtet hat, gibt vor Gericht an: „Sein Vater und er haben uns gesagt, was wir bei der Polizei aussagen sollten. Wir haben dann behauptet, dass wir schon vor der Tat aus Leonberg abgeholt worden seien.“

Der Gaspistolen-Prozess wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt. Das Amtsgericht wird sich beim Fortsetzungstermin die Aussagen der an den Ermittlungen beteiligten Polizisten anhören. Die Antifaschistische Initiative Leonberg (AIL) hat erneut zu einer Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude aufgerufen. Die Polizei wird wieder mit einem Großaufgebot dafür sorgen, dass es beim Aufeinandertreffen von Rechts und Links nicht zu Krawallen kommt.