Vom Leben und Arbeiten des berühmten Architekten Frei Otto erzählt dessen Tochter in Warmbronn.

Leonberg - „Er wollte nicht für die Ewigkeit bauen“, sagte Christina Kanstinger, die Tochter des international renommierten Architekten Frei Otto bei ihrem Vortrag im evangelischen Gemeindehaus. Rund 100 Gäste waren gekommen, um zu hören, wie der international bekannte Architekt, der 46 Jahre lang bis zu seinem Tod 2015 in Warmbronn lebte, gedacht und gearbeitet hat. Die Mittfünfzigerin, die heute in Sindelfingen wohnt, ist selbst Architektin und hat viele Jahre mit ihrem Vater Modelle entworfen und realisiert. Etliche sind in einer Ausstellung im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) zu sehen.

 

Die lebhafte Frau mit den dunklen Locken schildert das Wirken ihres Vaters Frei Otto, der 1964 einen Ruf an die Universität Stuttgart erhielt. Der Architekt wollte möglichst leichte Formen finden und hat dafür viel experimentiert, so Kanstinger. „Er erdachte wandelbare Strukturen, die mit der Erde im Einklang stehen, und er hatte ein stark ausgeprägtes Verantwortungsgefühl gegenüber der Umwelt“, sagt die Architektin. In seinem Bestreben, möglichst wenig Ressourcen zu verbrauchen, habe Frei Otto auch schon mal potenzielle Bauherren vergrault, fügt sie schmunzelnd hinzu.

Der Computer war überflüssig

Christina Kanstinger schildert, wie der Stararchitekt immer wieder mit Modellen arbeitete. So habe er schon die Details für den Expo-Pavillon in Montreal 1967 an der Uni Vaihingen an einem Eins-zu-eins-Entwurf getestet. Keine seiner Arbeiten sei am Computer entwickelt worden. Frei Otto habe auf physikalische Modelle gesetzt, „weil sie den Vorteil haben, dass sie direkt nachprüfbar sind“. So habe er etwa mit Seifenhaut-Modellen experimentiert, bei denen Minimalflächen entstehen. Membran-Konstruktionen, die ihre Form durch Spannung an den Rändern erhalten, seien für das Dach des Olympiazentrums in München entworfen worden. Für den Diplomatic Club im saudi-arabischen Riad, an dem die Architektin Kanstinger mitgearbeitet hat, wurde ein Zelt aus Glas errichtet. Dafür mussten völlig neue Lösungen gefunden werden. Wie ihr Vater schwört auch Kanstinger aufs Modell. Zur Freude der Zuhörer zeigte sie eine simple Konstruktion aus Holzstäben, an denen ein Netz aus Büroklammern hängt. „Wenn man die fixiert und umdreht, hat man eine Gitterkonstruktion.“

„Wo gibt es hier in Leonberg etwas von Frei Otto?“, fragte Paramjeet S. Gill. „Ich bin traurig, dass wir hier außer dem Baum am Christian-Wagner-Brunnen nicht direkt etwas haben“, sagte der Fotograf und vergisst dabei die beiden Küchenpavillons im Ramtel. Es gebe noch viel Entwicklungsspielraum und Themen, an denen man weiterarbeiten könne, so die Architektin. Sie selbst beschäftige sich gerade mit riesengroßen Schirmen, etwa für die Innenhöfe von Moscheen. „Man könnte hier in jeder Stadt für Marktplätze Schirme brauchen, also, wenn jemand Ideen hat“, sagte sie lächelnd.

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