Drei Männer wollen eine Arbeitsvermittlung für gut qualifizierte syrische Flüchtlinge gründen. Doch die rechtlichen Hürden dafür sind ziemlich hoch. Vorstellen können sie sich auch eine öffentlich-private Partnerschaft.

Leonberg - Dia Azmeh ist Finanzanalyst. Wenn es darum geht, das Investment-Risiko für eine Bank oder Versicherung zu bewerten, ist er der richtige Mann. Nachdem er keine berufliche Perspektive in seiner vom Bürgerkrieg zerstörten Heimat Syrien mehr sah, floh er nach Deutschland. Mit abgeschlossenem Studium und einer Vielzahl an international anerkannten Zertifikaten rechnete er sich gute Chancen aus, rasch einen Job zu finden. Doch die Suche erwies sich als äußerst schwierig. Denn er kannte weder die Sprache noch die hiesigen Bewerbungsstandards. „‚Syrvive’ ist genau das, was ich damals als arbeitsuchender Akademiker selbst gerne gehabt hätte“, sagt der 32-Jährige.

 

„Syrvive“, ein Kofferwort aus „Syrien“ und „Survive“ (zu Deutsch: überleben), ist der Name einer ganz speziellen Personalvermittlungsagentur, die schon bald ihre Dienste anbieten könnte. Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen, eine Firma ist noch nicht gegründet. Doch die drei Initiatoren aus Leonberg arbeiten fleißig am Projekt. Das Prinzip ist recht klassisch: Arbeitsuchende und Arbeitgeber werden zusammengebracht. Die Besonderheit ist aber, dass es sich bei den Bewerbern um Fachkräfte und Akademiker wie Ingenieure, Architekten, IT-Spezialisten, Ärzte oder Juristen handelt, die allesamt aus Syrien stammen. „Diese Klientel, die mit ihrem Einkommen nicht die Voraussetzungen für eine ‚Blue Card’ erfüllt, liegt nach Schätzungen des Bundesamtes für Migration im mittleren fünfstelligen Bereich“, sagt Alexander Röckle, einer der drei Initiatoren. Für die Arbeitssuchenden ist das Angebot kostenlos, die Arbeitgeber zahlen eine Provision bei erfolgreicher Vermittlung.

Ihnen geht es nicht nur ums Geldverdienen

Bei ihrem Vorhaben geht es dem Trio eigener Aussage nach nicht vordergründig ums Geld verdienen. „Als junge Bürger verspüren wir gegenüber unserem Heimatland eine Verantwortung bei der Bewältigung der flüchtlingsstrombedingten Herausforderungen“, erklärt Röckle, der davon überzeugt ist, dass der Staat ausgelastet sei und die Vermittlung der Fachkräfte der Privatwirtschaft obliege.

Die Macher bringen das nötige Know-how mit. Röckle ist Wirtschaftswissenschaftler mit mehrjähriger Erfahrung in der IT-Branche. Der Betriebswirt Hani Al-Kutbi arbeitete bei schwäbischen Großunternehmen im Vertrieb. Wie Dia Azmeh, der nicht zuletzt aufgrund der eigenen Jobsuche mit persönlichen Erfahrungen dienen kann, spricht auch der 26-Jährige Arabisch, was die Verständigung mit den künftigen „Kunden“ erleichtert. Außerdem wird das Team von zwei Leonberger Vorständen aus der IT-Branche unterstützt.

Warum syrische Fachkräfte? „Analysen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zeigen, dass man es bei den syrischen Flüchtlingen mit überdurchschnittlichen Qualifizierungsgraden zu tun hat“, erläutert Röckle. Das ist nicht verwunderlich. Denn bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs galt Syrien in Sachen Bildung als Musterland der arabischen Welt. Das dortige Bildungssystem in Schulen und Universitäten ist an das alte französische angelehnt. Es besteht Schulpflicht, Englisch und Französisch sind Pflichtfächer. „Die Analphabetenrate junger Syrer liegt bei nur fünf Prozent“, so der 30-Jährige Röckle.

Doch damit „Syrvive“ ein Erfolg wird, gilt es, die rechtlichen Hürden zu bewältigen. Denn Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch läuft, dürfen grundsätzlich keine bezahlte Stelle annehmen. Zwar bildet die sogenannte Vorrangsprüfung eine Ausnahme – dabei muss der Arbeitgeber nachweisen, dass er keinen Deutschen oder EU-Bürger für die Stelle findet. „Doch wenn sich die Behörden strikt an diese Regelung halten, wird es immer ein ‚Nein’ geben“, ist sich Röckle sicher.

Deshalb machen sich die drei dafür stark, dass das Vorzugsrecht aufgehoben oder zumindest gelockert wird und immer eine Einzelfallprüfung auf lokaler Ebene stattfindet. Gerade im Großraum Stuttgart mit seinem enormen Fachkräftebedarf rechnen sie sich dafür gute Chancen aus.

Öffentlich-private Partnerschaft im Sinn

Um die Sache anzustoßen, ist das Trio bereits an die Lokalpolitik sowie das Landratsamt herangetreten. Ferner erhoffen sie sich auch Hilfe bei der Ermittlung der potenziellen Bewerber. „Optimal wäre es, wenn wir über die Behörden an die Daten herankommen könnten“, so Röckle, der durchaus mit einer öffentlich-privaten Partnerschaft liebäugelt. Wesentlich einfacher stellt er sich indes die Kooperation mit der Wirtschaft vor. So habe erst kürzlich IBM sein Interesse bekundet.

Röckle ist sich sicher: „Deutschland steht mit anderen Ländern im Wettbewerb um die hoch qualifizierten Arbeitskräfte, die sicherlich auch ohne den Bürgerkrieg interessant wären“, sagt er und betont: „Wenn der Staat trotz des finanziellen Aufwandes am Ende diese Menschen verliert, dann wäre das aus volkswirtschaftlicher Sicht der Super-GAU.“