25 Gemeindebücher sollen vor dem Verfall gerettet werden. Das Stadtarchiv sucht nach Buchpaten.

Leonberg - Im Leonberger Stadtarchiv im ersten Stock des Eltinger Rathauses lagern wahre Schätze. „830 laufende Meter Gemeindebücher, Urkunden und Akten sind hier untergebracht“, berichtet die Leiterin des Archivs, Bernadette Gramm. Dann berichtigt sie sich: „Es sind genau genommen sogar 1,2 Kilometer, denn im Keller der Georgii-Halle liegen noch einige Werke.“ Älteste Urkunde im Archiv ist die Schenkung einer Leonbergerin an ihre Enkel aus dem Jahr 1410. Eingelagert sind Bände aus allen Stadtteilen, außer Eltingen. Bernadette Gramm berichtet, dass Mitte des 19. Jahrhunderts in Eltingen der Lagerplatz fehlte und man kurzerhand die alten Haushaltsbücher in einer Papierfabrik entsorgt habe.

 

Führung zum Tag der Archive

Im Archiv findet sich auch das Kämmereibuch der Stadt Leonberg von 1683 und 1684. Dieses Haushaltsbuch enthält den ersten Hinweis auf den historischen Leonberger Pferdemarkt, der demnach 1684 erstmals abgehalten wurde. Das Buch wurde von der Stadt aufwendig restauriert.

Zum bundesweiten Tag der Archive bietet Bernadette Gramm gemeinsam mit ihrer Kollegin Birgit Schneider Führungen an. Das Interesse ist sehr groß, rund 30 Teilnehmer drängen sich in den kleinen Archivräumen. Im Saal des Rathauses sind für diesen einen Tag außerdem Vitrinen mit besonders wertvollen, aber auch besonders beschädigten Büchern ausgestellt. Bei der Restaurierung dieser geschichtsträchtigen Bände bittet die Stadt Leonberg um Unterstützung von Bürgern, Vereinen oder Unternehmen, die sich ihrem Heimatort verbunden fühlen. Gesucht sind Paten, die sich vorstellen können, alleine oder gemeinsam mit anderen die Kosten für eine Buchrestaurierung zu übernehmen und sie so vor dem Verfall zu retten. In den fertigen Bänden werden die Paten dann namentlich verewigt. Die Kosten für die Arbeiten können bei rund 800 Euro liegen, wie bei dem Höfinger Kaufbuch über die Jahre 1705 bis 1736. Hier sind handschriftlich Käufe von Wiesen, Weinbergen, Äckern, Häusern aufgelistet. Doch Tintenfraß, Mäusefraß und Schimmel haben dem Werk geschadet.

Oder die Kosten können wie im Fall des dicken Steuer-Abrechnungsbuches der Stadt Leonberg aus dem Jahr 1688 bis zu 1800 Euro oder mehr betragen. Dieses Buch ist sehr stark beschädigt, der Schimmel ist unübersehbar, die Seiten sind teilweise zerstört und wirken sehr zerbrechlich. 25 Bücher hat Bernadette Gramm ausgewählt, die besonders wertvoll und restaurierungsbedürftig sind. Was eine Wiederherstellung so aufwendig und teuer macht, erklärt die Buchbindermeisterin und Restauratorin Caroline Gerken, die im Auftrag der Stadt tätig ist. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Michael Steiert zeigt sie in einer kleinen Werkstatt im Eltinger Rathaussaal verschiedene Techniken der Buchrestaurierung.

Präzision und Geduld

Im Fall des Steuer-Abrechnungsbuches muss das Werk zunächst in einer sogenannten Reinluftwerkbank von Schimmelsporen befreit werden, da diese die Gesundheit der Restauratoren gefährden könnten. Dann werden die Nähte, die die Buchseiten im Einband zusammenhalten, vorsichtig gelöst. Eine Arbeit, die äußerste Präzision und viel Geduld erfordert. Anschließend werden die Blätter einzeln mit einer Mixtur aus Wasser und Alkohol angefeuchtet, später in Wasser gebadet und dann zwischen Vlies-Lagen getrocknet. Erst jetzt beginnt die eigentliche Arbeit der Restauratoren. Die fehlenden Ecken jeder Seite müssen aus Japanpapier nachgeformt werden. Eine Puzzle-Arbeit. Oder die fehlenden Teile werden mit einem Papierbrei ausgegossen. Beides sind langwierige Schritte, selbst für die geübte Restauratorin. Und am Ende werden alle Seiten wieder zusammengebunden. Was sich hier kurz anhört, dauert in der Praxis mindestens 20 Minuten pro Seite.