Die Weberin Simone Mack verliert im Alter von 45 Jahren ihren Mann. Ihre Gefühle drückt sie in Kunstwerken aus, die im Hospiz zu sehen sind.

Leonberg - Seit Mai 2016 ist im Leben von Simone Mack nichts mehr so, wie es war. Nach einem Herzstillstand verstarb ihr Mann im Leonberger Krankenhaus. Im Alter von 45 Jahren musste sie von einem Tag auf den anderen als Witwe mit drei Söhnen im Leben allein zurechtkommen. Großen Rückhalt fand sie im Hospiz Leonberg, in dem sie neun Monate lang in Einzelgesprächen ihre Trauer verarbeiten konnte. „Dort durfte ich so sein, wie mir gerade zumute war“, erzählt die gelernte Weberin.

 

Im Laufe ihres Trauerprozesses kam ihr die Idee, dass sie „ihre Gedanken durch ihre Hände fließen lassen“ müsse. So entstanden zahlreiche gewebte und gefilzte Kunstwerke, die die Entwicklung ihrer Gefühlswelt zum Ausdruck bringen. „Kunst war für mich das Mittel der Emotionen“, erklärt die Stuttgarterin. Über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren verwob sie Freude und Trauer, Wut und Dankbarkeit. „Ich habe nicht nur Trauer empfunden. Während dieser Zeit ist mir auch meine eigene Endlichkeit bewusster geworden. Ich habe aber auch gemerkt, dass ich Freude tiefer empfinden kann und gelernt, die Kostbarkeiten des Lebens zu schätzen“, sagt die 47-Jährige.

Zugang finden

Während des Trauerprozesses entstand irgendwann auch die Idee, ihre Werke im Hospiz auszustellen. „Nicht jeder will mit trauernden Menschen zu tun haben. Ich wollte meine Trauer aber in die Öffentlichkeit tragen und zeigen, dass Trauernde auch Menschen sind, denen man offen begegnen kann und denen man nicht ausweichen muss“, erläutert Simone Mack.

Wer im ersten Obergeschoss durch das Hospiz in der Seestraße läuft, trifft auf Werke wie das gebrochene Herz, aus dem Blut fließt, ein Erinnerungstuch, in das verschiedene Dinge eingewebt sind, ein Schmetterlingsband, Hoffnungsdeckchen, Herzen auf dem Silbertablett oder ein schwarzes Loch.

Besonders berührt hat viele der rund 50 Besucher, die zu einer Vernissage im Juli gekommen waren, ein Mobile von Tränen. Dort sind auf transparentem Papier nicht nur Tränen der Trauer zu sehen, sondern auch Tränen der Wut, Fassungslosigkeit, Überforderung und Perspektivlosigkeit. Das Kunstwerk „Fragmente des Lebens“ erinnert mit einer Weltkugel daran, dass Simone Mack und ihr Mann ein halbes Jahr auf Hawaii verbracht haben, und mit einem Auto, das auf einer Straße dahin rast, an die Rushhour des Lebens.

„Viele der Besucher konnten sich mit den Ausstellungsstücken identifizieren, weil die Werke authentisch sind. Sie sind ihnen zu Herzen gegangen“, erklärt Daniela John, die Leiterin des Hospizes. Es sei wichtig, dass man einen Weg finde, seiner Trauer Ausdruck zu verleihen. „Bei Simone Mack war es das Weben, andere bewältigen ihre Gefühle, indem sie schreiben, Sport machen oder im Wald spazieren gehen“, stellt sie klar.

Ausstellung als Türöffner

Die Ausstellung wirke für viele Menschen wie ein Türöffner. „Über die Kunstwerke kommt man leicht über die Themen Tod und Trauer ins Gespräch, die sonst so schwer sind“, führt Daniela John weiter aus. Simone Mack hat nach der Vernissage von mehreren Trauernden Auftragsarbeiten für Engel und andere Kunstwerke bekommen. Die kleinen Objekte eignen sich als Erinnerungsstücke für zu Hause oder auf dem Friedhof. „Ein kleines gefilztes Herz kann auf einem Grabstein verwittern, das Herz auf dem Silbertablett kann zu Hause an die eigene Emotionalität und Zerbrechlichkeit erinnern“, nennt Simone Mack Beispiele.

Sie freut sich, wenn ihre Kunstwerke bei anderen gut ankommen – so wie bei ihrem Mann zu Lebzeiten, der stets einen handgewebten Schal von ihr trug. „Er hat mich bei meiner Arbeit immer unterstützt. Und er hätte sicher gewollt, dass ich nach seinem Tod mit der Weberei weitermache“, sagt Simone Mack mit Überzeugung.

Trauer bewältigen

Ausstellung: Die Ausstellung mit den Kunstwerken von Simone Mack ist noch bis zum 15. Oktober im Hospiz Leonberg, Seestraße 84, wochentags zwischen 10 und 16 Uhr zu sehen. Auf Wunsch bietet die Künstlerin nach Absprache Führungen an. Diese können unter der Telefonnummer 0 71 52 / 3 35 52 04 oder per E-Mail an daniela.john@hospiz-leonberg.de vereinbart werden. Näheres über die Künstlerin Simone Mack findet sich im Internet unter der Adresse www.altes-handwerk-frisch-gewebt.de.

Hospiz: Menschen fühlen sich nach dem Tod eines Angehörigen mit ihren Gefühlen oft allein gelassen. Nicht immer können vertraute Menschen mit dem Kummer und Schmerz in der Trauerzeit umgehen. Qualifizierte Trauerbegleiter des ambulanten Hospizdienstes bieten verschiedene Angebote für Familienangehörige und Freunde an, um sich gemeinsam auf den Weg zu machen und neue Perspektiven zu entwickeln.

Trauerbegleitung: Termine für Einzeltrauerbegleitung können nach Bedarf bei Daniela John unter der Telefonnummer 0 71 52 / 3 35 52 04 oder per Mail unter daniela.john@hospiz-leonberg.de vereinbart werden.

Trauergruppe: Eine neue Trauergruppe mit Gleichgesinnten beginnt im Herbst, Interessenten können sich ab sofort unter denselben Kontaktdaten melden. Im Spätherbst gibt es zudem ein Trauer-Café. Der genaue Termin wird auf der Homepage www.hospiz-leonberg.de veröffentlicht.