Nach einem Jahr ist es gelungen, eine missglückte Geothermie-Bohrung zu sanieren. Dabei war Grundwasser von einer in die andere Bodenschicht abgeflossen. Durch Hohlräume im Untergrund sind Schäden an 24 Häusern entstanden.

Leonberg - Die kritischen Abschnitte sind saniert“, hat der Gutachter Klaus Kleinert am Freitag verkündet, „die Kontrollmessung zeigt, dass die Verpressung gelungen ist.“ Gemeint ist, dass die durch misslungene Geothermie-Bohrungen entstandenen Hohlräume mit 290 Litern Ton-Kalk-Betonmischung gefüllt worden sind. Das haben die Bewohner von 24 Häusern in der Thomas-Mann-Straße im Stadtteil Eltingen mit großer Erleichterung vernommen, denn sie erleben seit einem Jahr ein Wechselbad der Gefühle.

 

„Hoffentlich können wir jetzt bald unsere Häuser sanieren und müssen nicht noch einen weiteren Winter mit handbreiten Rissen in den Wänden verbringen“, bringt Kurt Braun die Nöte der Betroffenen Nachbarn zur Sprache. Sein Haus steht auf der anderen Straßenseite und gehört zu denen, die am stärksten von den ungewollten Bewegungen im Untergrund in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Begonnen hatte alles vor einem Jahr mit einer gewöhnlichen Geothermie-Bohrung der Renninger Firma Erwin Gungl in rund 80 Metern Tiefe in der Thomas-Mann-Straße. Mit Erdwärme sollte ein Einfamilienhaus beheizt werden. Die Anlage war noch nicht installiert, da erlebten zahlreiche Nachbarn eine böse Überraschung.

Es begann im Gebälk ihrer Häuser zu krachen, immer mehr und immer breitere Risse taten sich auf. Schnell war klar, dass die Bohrung der Grund dafür war. Alle weiteren Arbeiten wurden sofort gestoppt. Wie es zu dem Desaster gekommen ist, erklärt am Freitag bei einem Vorort-Termin Jochen Weinbrecht. Er leitet das Amt für Wasserwirtschaft im Landkreis Böblingen. „Bei der Bohrung wurden mehrere Grundwasserschichten durchdrungen, so dass Wasser von einer in die andere fließen konnte“, sagt Weinbrecht. Zwischen 20 und 40 Metern Tiefe befinde sich eine Lettenkeuper-Schicht, über der die erste Grundwasserschicht lag. Nachdem der Lettenkeuper durchbohrt wurde, ist das Wasser in die darunter liegende Schicht aus Muschelkalk abgeflossen, was Hohlräume erzeugt hat. Diese wiederum haben zu Setzungen im Erdboden und zu Schäden an den Häusern geführt.

„Es hat lange gedauert bis die Schadensstelle zwischen 30 und 40 Metern Tiefe gefunden wurde“, berichtet Weinbrecht, „dann haben wir mit einer vier Meter dicken Plombe so etwas wie eine labile Stabilität erreicht.“ Mit drei schnell gebohrten Messstellen wurden die Bewegungen des Grundwassers beobachtet.

Lange stand nicht fest, wer für die Schäden aufkommen würde. Nach dem Protest der Betroffenen haben das Landratsamt und die Stadtverwaltung Leonberg ein Soforthilfeprogramm aufgelegt. Auch der grüne Umweltminister Franz Untersteller wurde gezwungenermaßen aktiv: Nach dem Stopp aller Geothermie-Bohrungen im Südwesten durften die Bohrfirmen erst wieder loslegen, als sie sich zu besseren Qualitätsstandards und einem Sicherungsfonds für künftige Opfer bereit erklärten. Den Geschädigten in Leonberg stellte die Allianz als Versicherer der Bohrfirma drei Millionen Euro zur Verfügung.

Warum hat es so lange gedauert, bis die Sanierung eingeleitet wurde? „Es gab bisher kein Standardverfahren für Sanierungen solcher Schadensfälle“, muss der Amtsleiter Weinbrecht einräumen. Die richtige Idee dafür habe die Renninger Bohrfirma Gungl geliefert. Und die sieht folgendermaßen aus: Um die Erdwärme zu nutzen, werden zwei U-förmige Sonden in ein Bohrloch von 12,5 Zentimetern Durchmesser hinabgelassen. In diesen zirkuliert eine dem Frostschutzmittel ähnliche Flüssigkeit, die Erdwärme aufnimmt.

„Eine dieser Sonden wurde mit einem speziellen Messer zwischen 37,5 und 39 Meter Tiefe aufgeschlitzt und ein Gemisch aus Zement, feinem Sandstein, Kalkstaub und quellfähigem Ton hinein gespritzt“, erläutert der Gutachter Klaus Kleinert. Rund 290 Liter davon habe das Bohrloch aufgenommen, nach nur einem Tag sei alles dicht gewesen. „Wir hatten uns auf mehrere Kubikmeter Materialverbrauch und zwei Wochen Arbeit eingestellt“, erklärt der Fachmann.

In einer Tiefe zwischen 27 und 32 Metern habe das Bohrloch nichts mehr aufgenommen, und es seien keine Hohlräume mehr gemessen worden. Die frei gebliebene Geothermie-Sonde werde nun genutzt, um die Bohrung zu überwachen. „Es wäre fatal gewesen, wenn sich gezeigt hätte, dass solche Schadensfälle nicht beherrschbar sind“, sagt Wolfgang Schaal, der Sprecher der Geschädigten-Initiative. Die drei Millionen Euro werden wohl für die Sanierung ausreichen. Doch es stehe noch der Wertverlust der Gebäude im Raum. „Wir erwarten, dass uns das Land hier zur Seite steht“, sagt Schaal. Der Renninger Unternehmer Erwin Gungl sagt zu den Schäden: „Dieser Vorfall hätte jeder Bohrfirma passieren können.“ Das Gute daran sei, dass deswegen jetzt neue, effizientere Messtechniken entwickelt worden seien. „Das ist entscheidend für die Zukunft der Geothermie“, sagt der Bohrspezialist, „damit die Ängste wieder ad acta gelegt werden können.“