Im Jubiläumsjahr der Siedler ist die Ex-Bürgermeisterin zur Vorsitzenden gewählt worden. Ein Amt, mit dem die einstige Bürgermeisterin von Weissach nicht gerechnet hatte.

Leonberg - Fast scheint es so, als hätte ein Dichter sich die Begebenheit ausgedacht: Just als die kleine Ursula am 14. September 1965 im Kreiskrankenhaus Leonberg das Licht der Welt erblickt, bekommt daheim ihr Vater eine weitere frohe Nachricht. Die Familie erhält nach Jahren des Wartens ein Grundstück auf dem Gelände der Siedler und Kleingärtner.

 

Die Kreutels leben in dieser Zeit in einem Wohnblock in Höfingen. Jetzt endlich haben sie einen Platz im Grünen. Die mit der Geburt der Tochter nunmehr vier Kinder können in der Natur aufwachsen. Und dem Familienbudget kommt der Garten auch entgegen: Obst und Gemüse bauen sie nun selber an und sparen so Geld.

Das Essen war in den Fünfziger Jahren mit der Hauptgrund, warum so viele Kleingartenanlagen gegründet wurden. Vertriebene aus dem Osten kamen mit Nichts in ihrer neuen Heimat an. Die angestammte Bevölkerung hatte nach Krieg und Zerstörung ebenfalls nur das Nötigste. Wohl dem, der sich selbst versorgen konnte.

Keine verkappten Wochenendehäuser

Die Anlage im Gewann Seitenäcker ist ein typisches Beispiel für diese Form der Selbsthilfe in den Nachkriegsjahren. Am 1. Oktober 1956 wurde die Höfinger Ortsgruppe im Landesverband der Kleingärtner und Siedler gegründet. Der erste Vorsitzende war Wilhelm Wolf. Die Anlage wuchs schnell. Nach knapp zwei Jahren gab es dort 40 bewirtschaftete Grundstücke.

Heute sind es doppelt so viel. 80 Pächter bauen am nordöstlichen Ortsrand Obst und Gemüse an und pflegen Sträucher. Denn verkappte Wochenendhäuser sind im Verein der Siedler und Kleingärtner tabu. Ein Grundstück muss je zu einem Drittel aus Beeten, Sträuchern und der sogenannten Freizeitfläche stehen. Letztere ist für die Gartenhäuschen gedacht, in und vor denen sich die Hobbygärtner nach getaner Arbeit ein Bierchen gönnen können.

„Das mit der Gartenarbeit unterschätzen viele“, sagt Ursula Kreutel. Das kleine Mädchen, das die Kindheit am Rande von Höfingen verbracht hat, ist mittlerweile die Vereinsvorsitzende. Ein Amt, mit dem die einstige Bürgermeisterin von Weissach nicht gerechnet hatte. Doch nach ihrer Abwahl vor knapp zwei Jahren ließ sie sich wieder öfter an der Stätte ihrer Kindheit blicken. „Erst wenn man aus der Mühle heraus ist, merkt man, was man alles vernachlässigt hat“, sagt die 50-Jährige heute. „Und man lernt die wahren Freunde kennen.“

In ihrem Heimatverein hat sie viele davon. Als sich bei den Siedlern im April die langjährige Vorsitzende Christa Brunne zurückzieht, wird Kreutel die Nachfolge angetragen: „Du hat doch jetzt Zeit, Ursel.“ Die Verwaltungsfachfrau, die vor ihrer Weissacher Zeit Ortsvorsteherin in Höfingen war, will es aber nicht alleine machen. Doch Mit Corinna Döring sowie den Brüdern Jürgen und Peter Zinnert ist ein schlagkräftiges Team schnell gefunden.

Alte Traditionen leben auf

Auf die neue Mannschaft wartet sofort eine große Herausforderung: das Organisieren des traditionellen Pfingstfestes im Jubiläumsjahr. Die runde Geburtstagsfeier soll schon einen außergewöhnlichen Charakter haben. Deshalb lässt das neue Quartett drei Traditionen wieder aufleben, die in den vergangenen Jahren eingeschlafen waren: Von Samstag bis Pfingstmontag grillen die Vereinsmitglieder Göckele. Es gibt wieder eine Tombola. Auch der Schießstand wird eröffnet, der in früheren Zeiten unabdingbar zum Fest der Kleingärtner gehörte.

Und weil der 60. ein besonderer Geburtstag ist, gibt es am Samstag um 17 Uhr einen großen Fassanstich mit Oberbürgermeister Bernhard Schuler, weiterer Lokalprominenz und natürlich den Bürgern aus ganz Leonberg und aus Ditzingen.

Wer nun Lust bekommen hat, selbst unter die Hobbygärtner zu gehen, muss sich gedulden. Die Warteliste ist lang.