Bis Ende 2016 werden voraussichtlich drei Allgemeinmediziner in Ruhestand gehen. Die Hausärzte sind bereits völlig ausgelastet, denn es fehlt an Nachwuchs. Patienten müssen sich wohl auf längere Wartezeiten bei planbaren Behandlungen einstellen.

Leonberg - Der Montagmorgen beginnt für Michael Lohfink schon lange bevor um 8 Uhr die Sprechstunde anfängt. Lohfink ist niedergelassener Arzt, führt mit Corina Brodmann gemeinsam eine Praxis im Silberberg. Erst um 18 Uhr schließt sich die Praxistür für Patienten. 24 Stunden Sprechzeit sind es offiziell pro Woche. Inoffiziell dagegen fast 40, erläutert der Allgemeinmediziner bei einer Expertenrunde, zu der die Leonberger Grünen eingeladen haben. „Wir sind bei der hausärztlichen Versorgung in Leonberg am Limit“, sagt Michael Lohfink.

 

Der Hausarzt ist eine aussterbende Gattung – das gilt in vielen ländlichen Regionen schon länger. Doch es erreicht nun auch schleichend die großen Ballungszentren. In Stuttgart seien 16 Sitze für niedergelassene Ärzte frei. „Im Kreis Böblingen sind derzeit 2,5 Hausarztstellen unbesetzt“, berichtet Lohfink. Die Zahlen stammen von der Kassenärztlichen Vereinigung. Sie berechnet den Versorgungsgrad der Bevölkerung in Bezug auf medizinische Dinge, legt aber auch bestimmte Grenzen dafür fest. Zugrunde gelegt wird dabei vor allem die Bevölkerungszahl. Die 2,5 Stellen sind aber nicht frei, weil der Versorgungsgrad statistisch zu hoch ist und sie nicht besetzt werden dürfen. Es finden sich schlicht keine Nachfolger, die bestehende Arztpraxen oder zumindest deren Sitz übernehmen wollen. „Als ich mich vor zwei Jahren in Leonberg niedergelassen habe, hatte mein Vorgänger schon zwei Jahre nach einem Nachfolger gesucht“, erzählt der Allgemeinmediziner.

Fünf Ärzte sind derzeit über 60 Jahre alt

Die Spirale wird wohl weiter abwärts gehen. Wie Robert Heger, der Präsident der Leonberger Ärzteschaft, berichtet, sind in der Großen Kreisstadt derzeit fünf niedergelassene Ärzte über 60 Jahre alt. Das ist ein Sechstel aller Hausärzte hier. In diesem und dem nächsten Jahr werden sich voraussichtlich drei in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden.

„Ich habe schon Zweifel, wie die Versorgung in diesem Fall noch zu gewährleisten ist“, meint der Allgemeinmediziner Lohfink. Robert Heger, selbst Orthopäde, ist da nicht so pessimistisch: „Wir Ärzte schlafen ja nicht. Wir sehen, was da kommt.“ Patienten müssten sich keine Sorgen machen, vor verschlossener Tür zu stehen oder lange auf eine dringende Behandlung warten zu müssen. „Die Akutversorgung wird immer gewährleistet sein“, betont Robert Heger. Längere Wartezeiten könnte es dagegen bei planbaren Behandlungen wie etwa Impfungen oder Kontrolluntersuchungen geben. Vor allem Leonberger Eltern dürfte diese Situation bekannt vorkommen, als es zeitweise nur noch zwei Kinderärzte in der Stadt gab. Seit vergangenem Jahr ist nun auch ein dritter hier niedergelassen und die Situation hat sich etwas entspannt.

Sicher werde die Nachwuchssuche immer schwieriger, wie zuletzt auch die Geschichte des Malmsheimers Albrecht Diem zeigte, der seine gut gehende Praxis mit großer Patientenzahl nach 30 Jahren schließen musste – ohne Nachfolger. Das größte Problem dabei, das zeigte auch die Diskussion bei den Grünen, ist nicht, dass nicht genügend junge Mediziner an den Hochschulen ausgebildet würden. Das Problem sei vielmehr, dass nur etwa ein Drittel von ihnen am Ende auch tatsächlich in der direkten Patientenversorgung arbeitet. Und die verteilen sich dann sowohl auf die Krankenhäuser wie auch auf die Praxen.

Der Trend geht weg von der Einzelpraxis

Auch die Praxislandschaft werde sich verändern. „Der Trend wird weitergehen und es wird mehr Praxen mit mehreren Ärzten geben, weil sie einfach leistungsfähiger sind“, sagt Heger. Zudem könnten über größere Gemeinschaftspraxen auch mehr Ärzte für diesen Bereich gewonnen werden. Etwa über Anstellungen, die weniger risikoreich sind als eine Praxis, aber auch einen schnelleren Wechsel bei Nichtgefallen ermöglichen. Zudem ermöglichen die Ärztegemeinschaften auch Frauen mit Kindern, die in Teilzeit als Medizinerin arbeiten wollen, die Rückkehr in den Beruf beziehungsweise eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie.

Im Einzugsgebiet des Leonberger Krankenhauses habe sich jedoch schon eine große Verbesserung ergeben mit der neuen Notfallpraxis, die im vergangenen Januar eröffnet wurde. Dort gibt es jetzt einen geregelten Dienstplan und es sind viel mehr Mediziner beteiligt. „Dadurch können wir den Ärzten ein großes Stück mehr Freizeit sichern“, betont der Chef der Leonberger Ärzteschaft. Auch das sorge für Attraktivität.