Leonberg erstickt im Stau, besonders bei Unfällen auf der Autobahn. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Eine mögliche Umgehungsstraße war politisch nicht gewollt.

Leonberg - Es war der 19. Dezember 1997, als die Leonberger Kreiszeitung berichtete: Der alte Engelbergtunnel soll zugeschüttet werden. So hatte es der Gemeinderat Leonberg entschieden. Für die LKZ berichtete damals Arnold Einholz wie folgt:

 

Aus der Leonberger Kreiszeitung, 1997

„Keine Umgehungsstraße auf der alten Engelbergautobahn, dafür sprachen sich 25 Gemeinderäte aus der CDU, FWV und Gabl gestern Abend bei der Gemeinderatssitzung aus. 18 Gemeinderäte wollten den SPD-Antrag, der von der Rathausspitze geteilt wurde: Die westliche Röhre und die westliche Trasse bis zu einer Lösung durch einen Generalverkehrsplan vorerst freihalten. Etliche hundert Bürger wollten wissen, wie sich der Gemeinderat entscheidet – die Georgiihalle war bis auf den letzten Platz besetzt.

In den Stellungnahmen der Gemeinderäte zeichnete sich das Ergebnis ab. CDU-Fraktionschef Alwin Grupp lehnte die „Engelbergtrasse aus verkehrlicher Sicht“ als falsche Lösung ab. Zuschütten der Tunnelröhren gemäß Planfeststellung, hieß die CDU-Devise. Vom Verwaltungsvorschlag hielt die CDU nichts – die alte Autobahn zunächst als „grüne Trasse“ sowie den Engelbergtunnel offenzuhalten. Dies sei ein „Hinausschieben der Entscheidungen“.

Neben Angriffen gegen die Bürgerschaft, die fast „Glaubenskriege“ geführt hätte, ging Grupp vor allem Oberbürgermeister Bernhard Schuler an. Er habe einen Brief des Umwelt- und Verkehrsministeriums unterschlagen. Darin warnen Beamte davor, die Engelbergtrasse zu verwirklichen.

Streit um Brief aus dem Ministerium

Schuler hielt dagegen, dass Grupp nicht ernsthaft um Frieden in der Stadt bemüht sei. Schließlich seien Meinungen von Ministerialbeamten nicht das ,,Primat der Politik“: Verkehrsminister Hermann Schaufler (CDU) habe es der Stadt überlassen, was sie mit den alten Röhren machen will.

Das uneinheitlichste Bild zeigte die FWV-Fraktion. Der Fraktionschef Walter Merk ging lediglich auf die finanziellen Bedingungen ein: „Kaum Entlastung“ gebe es, auch bei der ,,Alibitrasse“ über den Engelberg, angesichts einer großen finanziellen Mehrbelastung.

Jürgen Stolle von der SPD-Fraktion war angesichts dessen überrascht, wie „einheitlich die SPD-Fraktion“ hinter einem Antrag stehe: „Unverzüglich“ sei ein Gesamtverkehrsplan mit breiter Bürgerbeteiligung zu erstellen. Wie die Verwaltung fordert auch die SPD, die alte westliche Engelbergröhre offenzulassen. Ein zentrales Thema sei zudem: „Welche alternative Erschließung der neuen Stadtmitte gibt es?“

Außerdem will die SPD einen neuen Ansatz im Öffentlichen Personennahverkehr. Schließlich glaubt die SPD, dass mit dem fertigen Basistunnel und dem Westanschluss an der Autobahn, Leonberg eine erhebliche Veränderung der Verkehrssituation erfährt. Auch die Grün-Alternative Bürgerliste (Gabl) stellt fest, dass keine Umgehungsstraße gebraucht wird, weil vom nächsten Jahr an die neue A 81 unter Leonberg hindurchführt. Allerdings will der Fraktionssprecher Eberhard Schmalzried Leonberg nicht noch autogerechter machen. Uneinheitlich zeigt sich auch die FDP. Beate Junker plädierte für die Renaturierung der Engelbergtrasse. Margarete Helmes wollte „nicht für alle Zeiten diese Option torpediert“ sehen.“

Was ist seitdem passiert?

Und heute? Der alte Engelbergtunnel blieb ein Politikum und führte zum ersten Bürgerentscheid der Stadt, der jedoch vom Gemeinderat nicht angenommen wurde. Die Oströhre wurde schnell mit Abraum des Tunnelneubaus verfüllt. Die Weströhre wurde an die Stadt Leonberg übertragen. 2002 wurde am Südportal die KZ-Gedenkstätte eingerichtet. 2007 und 2008 mussten beide Röhren wegen mangelnder Standfestigkeit neu verfüllt werden. Die alte Autobahntrasse wurde renaturiert und bildet heute einen Grünstreifen. Doch viele Leonberger trauern der verpassten Chance einer Umgehungsstraße nach, besonders angesichts steigender Verkehrszahlen.