Bodo Ramelow sieht sich beim Papst und in der katholischen Soziallehre gut aufgehoben. Der thüringische Ministerpräsident spricht von Barmherzigkeit und macht seinen Genossen Mut. Parteichef Riexinger hält es eher mit der klassischen Rhetorik.

Leonberg - Bei den Linken ist vieles anders, sogar die Dramaturgie einer Wahlveranstaltung. Während bei vielen anderen Parteien der Gaststar oft verspätet auf die Bühne eilt, seine Rede hält, um sogleich zum nächsten Termin zu eilen, kommt Bodo Ramelow bei der zentralen Kundgebung der Linken in Leonberg pünktlich.

 

Fast unauffällig betritt der Ministerpräsident von Thüringen den großen Saal des Restaurants Hasenstube. Erst auf den zweiten Blick merken der Bundesparteichef Bernd Riexinger, der Bundestagsabgeordnete Richard Pitterle und die Landtagskandidatin Gitte Hutter, dass der einzige Regierungschef, den die Linken stellen, schon da ist und eilen ihm entgegen. Dann nehmen alle am Promi-Tisch Platz.

Wer ist dieser Mann und was kann er?

Der unterscheidet sich von den anderen durch eine Tischdecke und einen roten Partei-Wimpel. Die anderen Reihen sind eher schmucklos, gleichwohl gut gefüllt. Viele wollen sich den Mann, der es in Erfurt geschafft hat, nach fast 25 Jahren die Vorherrschaft der CDU zu brechen, einmal näher anschauen.

Doch sie müssen sich gedulden. Zunächst stellt sich Gitte Hutter vor. Die gebürtige Leonbergerin plädiert für das „Grundrecht auf Wohnen“, das bei hiesigen Durchschnittsmieten von 1000 Euro nicht gegeben sei. Die 40-Jährige fordert eine wohnortnahe Krankenhaus-Versorgung und verweist darauf, dass auch sie in der Leonberger Geburtsstation zur Welt gekommen ist. Für sie ist der Mindestlohn zu gering. Die Ausbildung und ein tägliches Mittagessen für die Schüler müssten gebührenfrei sein.

Diese Meinung vertritt auch Bernd Riexinger, für den der Abend in der Hasenstube ebenfalls ein Heimspiel ist. Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl stammt aus Weil der Stadt und hat seine berufliche Laufbahn bei der Leonberger Bausparkasse begonnen. Deshalb begrüßt er unter den „lieben Genossen und Kollegen“ die einstige Betriebsratsvorsitzende Renate Stäbler besonders herzlich und warnt die Sozialdemokratin schon einmal vor, dass er mit ihrer Partei nicht so pfleglich umgehen werde. Denn die sei in der Stuttgarter Regierungskoalition als „soziales Gewissen ein Totalausfall“. Den Finanzminister Nils Schmid nennt Riexinger „die personifizierte schwarze Null, der versucht, Schäuble rechts zu überholen.“ Nicht pfleglicher geht der Linken-Chef mit Winfried Kretschmann um. Dem Ministerpräsidenten von den Grünen attestiert er, „direkt vom Kommunistischen Bund zur Katholischen Kirche gewechselt“ zu sein.

„Leiharbeit ist moderne Sklaverei“

Noch ein Stück klassische Linken-Rhetorik („Die Armen haben genug bezahlt, jetzt müssen wir an die Reichen ran. Leiharbeit ist moderne Sklaverei“), um am Ende Grün-Rot doch eine Offerte zu machen: „Wir sind bereit, inhaltlich zu diskutieren.“

Bodo Ramelow wählt die Sprache eines Regierungschefs, der in der Verantwortung steht. Er wirbt für den Erhalt der Sparkassen, setzt sich kritisch mit großen Koalitionen auseinander („Die Bürger können nicht erkennen, um welchen Kurs es bei den Wahlen geht“) und wirbt um Verständnis für Griechenland: „Keiner nimmt zur Kenntnis, dass dort hunderttausende Flüchtlinge versorgt werden. Stattdessen gibt es ein Griechenland-Bashing, aber niemand spricht über die Banken.“

Der Ministerpräsident, der in Erfurt eine rot-rot-grüne Koalition mit nur einer Stimme Mehrheit führt, berichtet aus seinem Bundesland: 450 000 Menschen sind im vergangenen Vierteljahrhundert in den Westen gegangen. 50 000 Wohnungen sind leer, tausende Lehrstellen nicht besetzt. „Deshalb ist die Aufnahme von 30 000 Flüchtlingen ein lösbares Problem.“

Erkennbar beeindruckt zeigt sich der 60-Jährige von einem Zusammentreffen mit dem Papst am Freitag: „Ich habe mit ihm über Barmherzigkeit gesprochen. Franziskus hat sich sehr dafür interessiert, wie wir mit den Flüchtlingen umgehen.“

Die Pegida-Leute und die zehn Gebote

In diesem Sinne beruft sich Ramelow in seiner knapp einstündigen Rede mehr als einmal auf die Bibel und vergleicht die Ziele seiner Partei mit jenen der katholischen Soziallehre. „Einer trage des anderen Last“, ruft der Sozialist seinem Publikum zu und attackiert die Pegida-Leute, die sich angeblich um das christliche Abendland sorgen: „Die waren noch nie in der Kirche und kennen die zehn Gebote nicht.“

Für die ob der schlechten Umfragewerte verzagten Genossen im Ländle hat der Gast aus Thüringen, der gebürtig aus Niedersachsen stammt, zum Abschied noch aufmunternde Worte parat: „Wir lagen 1990 bei 10 Prozent. Jetzt haben wir 30 Prozent.“