Vor dem Kadi herrscht Ordnung – oder auch nicht. Ein amüsanter Rückblick auf das Jahr im Gerichtssaal mit skurrilen Ausflüchten der Angeklagten und launigen Sprüchen der Richter.

Leonberg - Als der Richter vom Angeklagten wissen will, wie es dazu kommen konnte, dass er das Opfer nach dem Zusammenstoß nicht bemerkte und mit seinem Auto weiterfuhr, glaubt er seinen Ohren nicht zu trauen. „Ich dachte, es war ein Tier, auf dieser Strecke gibt es doch oft Wildunfälle“, erklärt der Mann am Leonberger Amtsgericht. Darauf der Richter kopfschüttelnd: „Ein Tier mit einem weißen Deutschlandtrikot kommt in Warmbronn eher selten vor!“

 

Wer glaubt, es gibt wenig Amüsantes aus dem Gerichtssaal zu berichten, der irrt. Gut, wenn man auf die Anklagebank muss, beschleicht einen zwangsläufig ein Gefühl von Unwohlsein. Man ist umzingelt von Menschen in schwarzen Gewändern, die bierernst dreinblicken und spätestens, wenn sich der Staatsanwalt vor einem aufbaut und mit erhobener Stimme die Anklageschrift herunterrattert, ist Schluss mit lustig. Aber so lange man dem Treiben aus sicherer Entfernung folgen darf, kann ein Abstecher ans Gericht durchaus die Stimmung heben.

Unfreiwillige Lacher

Das liegt in erster Linie an den Angeklagten, die schon mal dazu neigen, die abenteuerlichsten Geschichten aufzutischen, um ihren Hals aus der Schlinge zu ziehen, womit sie unfreiwillig für Lacher sorgen. Neulich etwa hat ein Rentner vehement abgestritten, seine Ehefrau mit den Worten ‚Ich werde dich durchs Haus treiben und dann mit einer Holzlatte totschlagen, die mit Nägeln bestückt ist!‘ bedroht zu haben. „Ich habe keine Nägel zu Hause, nur Schrauben“, ließ er das Gericht wissen. Klingt schlüssig!

Auf die Frage eines Richters, wie die 800 Gramm Marihuana denn in seine Wohnung gekommen seien, erwiderte ein Beschuldigter: „Die Tütchen habe ich beim Staubsaugen unterm Sofa gefunden.“ Als ein Staatsanwalt wissen wollte, warum ein 15-Jähriger einen Joint in die Hände bekam, erklärte der Angeklagte: „Ich habe den Joint auf dem Tisch abgelegt, zum Zocken an der Playstation brauche ich nun mal beide Hände!“ Und dann gibt es noch die berüchtigten Reichsbürger, die erst gar nicht auftauchen: „Ich erkenne die geltende staatliche Rechtsprechung nicht an. Ich bin Angehöriger des Staates Germanitien“, schrieb ein wegen Ladendiebstahls angeklagter Mann in einem Brief an die Richterin.

Obwohl die Juristerei eine trockene Angelegenheit ist, sind Richter beileibe keine Spaßbremsen – ein kecker Spruch ist immer drin. Als ein Amtsrichter vom Angeklagten wissen will, ob er verheiratet sei und dieser antwortete, dass er „mit jemandem zusammen“ lebe, ließ sich der Gesetzeshüter in Anspielung auf dessen Inhaftierung den Spruch nicht nehmen: „Momentan sogar mit ein paar Hundert!“

Kostenlose Ratschläge fürs Leben

Und weil Richter Angeklagten schon mal ins Gewissen reden, gibt es bisweilen auch kostenlose Ratschläge fürs Leben. Einem wegen Drogenbesitzes verurteilten Landschaftsgärtner, der in seinem Garten Cannabispflanzen angebaut hatte, riet er, „doch lieber auf die Herstellung von Apfelmost umzusteigen“ – dagegen sei zumindest aus rechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Dem bei einem großen Automobilhersteller tätigen Maschinenarbeiter, der trotz Verurteilung nicht die Finger vom Kiffen lassen wollte, weil es seine Kopfschmerzen lindere, empfahl er derweil: „Dann sollten Sie darüber nachdenken, sich ins Werk nach Kalifornien versetzen zu lassen!“ Dort sei der Konsum von Cannabis zu medizinischen Zwecken erlaubt.

Aber mal ehrlich: Schon allein, wenn man die ein oder andere Akte in die Finger bekommt, ist man doch ohne Humor aufgeschmissen. Da gab es den Junkie, der ein Päckchen mit Amphetamin auf der Kfz-Zulassungsstelle verlor, einen Kneipenbesucher, der austickte, weil in der Toilette die Klobrille fehlte oder den Hochzeitsgast, der den Hochzeitswagen beim Umparken zu Schrott fuhr. Und selbst Leute, die es berufsbedingt besser wissen sollten, landen vor dem Kadi: Ein pikierter Anwalt, der sich von seiner Verflossenen hintergangen fühlte, drohte damit, sie zu „zerstückeln“, ein Polizist ließ Marihuana vom Tatort mitgehen und eine angehende Jura-Studentin musste auf die Anklagebank, weil sie einen Nachbarn verprügelt hatte. Mord und Totschlag stehen derweil am Stuttgarter Landgericht an der Tagesordnung, weshalb auch Ruheständler dem „Gerichtstourismus“ frönen und mit Vesper von Saal zu Saal eilen, um sich dann entspannt zurückzulehnen, wenn es vorne zur Sache geht. Wozu ins Kino gehen, wenn das Leben die besten Geschichten schreibt? Doch die Realität ist nicht für alle aufregend genug. In einem wegen Kindesmissbrauchs geführten Prozess gegen einen früheren Leonberger musste sich der Richter vom Nebenklagevertreter anhören: „Herr Vorsitzender, ich würde gerne eine Unterbrechung anregen. Mir fällt auf, dass Ihnen die Augen zufallen!“

Wessen Zähne fliegen da aus dem Mund?

Der Anwalt wäre kein Anwalt, wenn er der Sache nicht auf den Grund ginge: „Waren es eigentlich Ihre eigenen Schneidezähne, die nach dem Faustschlag aus Ihrem Mund geflogen sind?“ Übrigens: Wehe dem, der auf die Idee kommen sollte, den Gerichtssaal zu einer handyfreien Zone zu erklären. „Es gibt den Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention, und der schließt eine Strafbarkeit wegen unerlaubter Einreise aus“, tönte ein Anwalt. „Haben Sie den da?”, wollte die Richterin wissen. Er mit dem Handy in der Hand: „Den habe ich gerade im Internet gefunden!“

Am Ende noch die Schlussworte einer Angeklagten, der gemäß dem gerichtlichen Protokoll immer das letzte Wort vor dem Urteil zusteht. Als der Richter fragte, ob sie noch etwas sagen möchte, warf sie dem Typ mit dem Notizblock hinten im Zuschauerbereich einen besorgten Blick zu: „Ich möchte nur keinen bösen Bericht über mich in der Zeitung lesen!“ Kein Problem, aber ein bisschen darüber schmunzeln wird man doch noch dürfen . . .