Neuer Unterlagen: Insgesamt 13 Täter wurden für ihre Verbrechen im KZ Leonberg angeklagt, lediglich neun davon wurden letztlich auch bestraft. Die vier Lagerleiter waren nicht darunter.

Leonberg - Die Täter des KZ Leonberg ziehen sich nach Auswertung der Archivdokumente durch alle Hierarchiegrade und lassen sich in vier Gruppen finden: Lagerleiter, Wachpersonal, Messerschmitt-Mitarbeiter und Funktionshäftlinge, doch zu einer strafrechtlichen Verfolgung ihrer Verbrechen kam es nur bei den Wenigsten“, zieht Katharina Fuchs Bilanz. Die Leonbergerin, die Geschichte studiert, hat in ihrer Bachelor-Arbeit die NS-Täterschaft im Außenlager Leonberg des KZ Natzweiler untersucht. Die Ergebnisse hat die 23-Jährige, die auch im Vorstand der KZ-Gedenkstätteninitiative sitzt, den Mitgliedern im Vorfeld der diesjährigen Mitgliederversammlung zum ersten Mal öffentlich vorgestellt.

 

„Im Prozess des französischen Militärtribunals in Rastatt im März 1948 gegen die Verbrechen im KZ Leonberg wurden lediglich 13 Verdächtige angeklagt und nur neun verurteilt“, hat die ehemalige ASG-Schülerin in ihrer Arbeit dokumentiert. Sie ist die erste Historikerin, der die Akten des Prozesses gegen die Verantwortlichen des KZ Leonberg vor dem französischen Militärtribunal zur Verfügung standen. Auf diese Aufzeichnungen konnte die örtliche Geschichtswerkstatt noch nicht zurückgreifen, als sie zwischen 1999 und 2001 die KZ-Geschichte erforscht hat. „Die angeklagten Täter begingen Verbrechen, die die Häftlinge zusätzlich terrorisiert und physisch als auch psychisch drangsaliert haben“, schlussfolgert Katharina Fuchs.

Die Täter aus dem KZ Leonberg wurden wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere durch Schläge, Missbrauch und Misshandlung von Deportierten angeklagt. Drei Tätergruppen standen vor Gericht: fünf Wachleute, fünf sogenannte Funktionshäftlinge und drei Angestellte der Rüstungsfirma Messerschmitt.

97 Zeugen in 14 Verhandlungstagen

Zwischen März und Anfang April 1948 wurden in 14 Sitzungen 97 Zeugen befragt. Am 19. April 1948 wurde das Urteil verlesen. Von den 13 Angeklagten wurden vier freigesprochen. Weitere acht wurden durch Mehrheitsbeschluss zu Freiheitsstrafen und Zuchthaus verurteilt. Mit einer Zweidrittelmehrheit wurde Walter Hartmann mit der Todesstrafe belegt.

„Zu dem Rastatter Urteil lässt sich feststellen, dass von den Verantwortlichen für die Verbrechen im KZ Leonberg lediglich 13 Täter vor dem Militärtribunal angeklagt wurden“, sagte die Historikerin. Unter ihnen sei keiner der vier Lagerkommandanten gewesen, die die Hauptverantwortung für die Behandlung der Häftlinge trugen. Von Arnold Brendler, dem letzten der vier, unter dem im Lager weit mehr als 3000 Häftlinge schufteten, ist belegt, dass er bei mindesten zwei Exekutionen anwesend war. Unter seiner Lagerführung herrschten katastrophale Lebensbedingungen, wodurch es im Frühjahr 1945 zu einer schnellen Ausbreitung von Typhus und Fleckfieber kam. Brendler wurde nie angeklagt. Er starb 2006 in der Stadt Visselhövede im Landkreis Rotenburg.

Häftlinge mussten sich selbst „verwalten“

Renate Stäbler von der Gedenkstätteninitiative hat es so formuliert: „Was innerhalb des Stacheldrahts geschah, wurde von den Häftlingen selbst verwaltet.“ Dazu setzte die Lagerleitung sogenannte Funktionshäftlinge ein. Besonders berüchtigt war der Lagerschreiber Walter Hartmann, 1901 in Göppingen geboren. Er kam als „Berufsverbrecher“ ins KZ Leonberg. Zeugen sagten aus, dass er alle Kameraden der SS auslieferte, um persönliche Vorteile zu erlangen. Die Häftlinge hatten vor ihm mehr Angst als vor dem Lagerleiter. Noch vor dem Rastatter Prozess reihte die Spruchkammer Leonberg Hartmann in die Gruppe der NS-Belasteten ein und wies ihn für fünf Jahre in ein Arbeitslager ein.

Wegen der Schwere seiner Taten wurde Hartmann jedoch in Rastatt zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde nie vollstreckt. „Aus den Akten der Zentralen Stelle für NS-Verbrechen in Ludwigsburg geht hervor, dass er laut einem Schreiben des Strafgefängnisses in Wittlich zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt wurde“, kann Katharina Fuchs belegen. In der Kopie einer in Französisch geschriebenen Karteikarte ist festgehalten, dass Hartmann begnadigt und im Januar 1957 entlassen wurde. Weitere Informationen über ihn fehlen.