Stadtentwicklung: Bei der Suche nach dem richtigen Weg ist Abwägen nötig.

Leonberg - Wie stellt sich eine Stadt für die Zukunft auf? Mit dieser elementaren Frage hat sich die Leonberger Kommunalpolitik unmittelbar vor der Sommerpause intensiv beschäftigt. Bei der seit Jahren diskutierten Neugestaltung des Postareals ist eine Mehrheit den Plänen des Investors Strabag Real Estate gefolgt. Der will auf dem Gelände, auf dem noch die alte Hauptpost steht, ein neues Quartier mit 100 Wohnungen, Einzelhandel und Gastronomie errichten. Glanzstücke sollen ein zentraler Platz und eine Brücke für Fußgänger und Radfahrer zur Altstadt sein.

 

Spannende Visionen

Das Vorhaben ist im Gemeinderat nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Ein wichtiges Argument der Kritiker ist der Blick aufs große Ganze: Man könne nicht einfach nur das Postareal entwickeln, sondern müsse die gesamte Innenstadt planerisch wie visionär betrachten. Das ist zweifellos richtig, und es gibt in der Tat spannende wie realistische Ansätze, wie die zerfasert zusammengewachsene Kernstadt mehr Struktur und damit mehr Qualität bekommen kann.

Ein besonderes Anliegen des Baubürgermeisters Klaus Brenner ist das „grüne Band“: Eine Linie, die vom künftigen Naherholungsgebiet auf der alten Autobahntrasse, über den Stadtpark, das Reiterstadion bis zur Altstadt reicht. Mehr Natur mitten in der Stadt, die die Aufenthaltsqualität erhöht und das Stadtklima buchstäblich verbessert. Ein Ansatz, der Raum bietet, vernachlässigte Orte wie das Reiterstadion aufzuwerten.

Weniger Autos

Oberbürgermeister Cohn beschäftigt sich mit der Stauproblematik, genauer gesagt mit dem Ziel, den Autoverkehr im Zentrum zu reduzieren. Unter dem Slogan „Stadt für morgen“ wirbt er für großzügige Flächen, die Fußgängern und Radlern vorbehalten sind. Autos sollen nicht ganz verschwinden, aber doch nicht mehr im Mittelpunkt stehen.

All diese Ziele sind in ihrer Stoßrichtung richtig wie nötig. Und doch müssen sie schrittweise vorangetrieben werden, sonst wird es nicht gehen. Der Naturpark Autobahntrasse ist ein wichtiger Schritt, genau wie die Bebauung des Postareals. Es gibt immer umstrittene Themen, aber unter dem Strich hat die Stadtentwicklung eine lange vermisste Dynamik erreicht.

Besser Geld fürs Alte Rathaus?

Deshalb ist es auch gut, dass ernsthaft die Zukunft der alten Schuhfabrik angegangen wird – ebenfalls ein wichtiger Teil im großen Mosaik. Es gibt gute Argumente für die von den Künstlern gewünschte Kulturfabrik. Aber die Frage nach den Prioritäten ist genauso berechtigt. Ist es nicht wichtiger, das wenige Geld in das mehr als 500 Jahre alte Rathaus am Marktplatz zu investieren? Könnten die Künstler nicht auch Ateliers in der Altstadt beziehen?

In all diesen Grauzonen gibt es keine absoluten Wahrheiten. Es geht ums Ausloten und Abwägen. Daher ist es klug, dass bei der Schuhfabrik das Thema Investor nicht ganz vom Tisch ist. Sonst wäre eine Finanzierung seriös kaum darzustellen. Aber wer weiß: Vielleicht gibt es ja ein Unternehmen mit einem großen Herz für die Kultur?