Die Redebeiträge zum Leonberger Etatentwurf sind geprägt vom Frust über nicht umgesetzte Beschlüsse, den Streit an der Rathausspitze und Passagen aus OB Cohns Buch.

In der Kantine neben dem Ratssaal standen schon einige Gläser und Weinflaschen parat. Doch zu einem heiteren Umtrunk dürfte es nach den kommunalpolitischen Erklärungen zum Leonberger Haushaltsentwurf 2023 nicht mehr gekommen sein. Die Zeiten sind ohnehin nicht gut, der offene Konflikt zwischen dem Oberbürgermeister und seiner Stellvertreterin erschwert die Situation zusätzlich.

 

Und dass Martin Georg Cohn (SPD) noch ein Buch mit dem Titel „Vetternwirtschaft“ geschrieben hat, indem er selbige zumindest Teilen der politischen Klasse Leonbergs unterstellt, erweist sich auch nicht gerade als Stimmungsaufheller. Insofern waren die Einlassungen der Fraktionen und Gruppen im Gemeinderat von einer gewissen Frustration und versteckter wie auch offener Kritik an der Verwaltungsspitze geprägt.

Zusammenhalt statt Spaltung

Die sogenannten kommunalpolitische Erklärungen sind vom Ablauf her nicht mit einer Haushaltsdebatte im Bundestag zu vergleichen. Es gibt keinen offenen Schlagabtausch, auf die einzelnen Redebeiträge ist keine Erwiderung zugelassen. Ihre politische Wirkung verfehlen sie in der Regel dennoch nicht.

Auch diesmal. Mit ernst in seinen Laptop gerichtetem Blick hörte sich der Oberbürgermeister an, dass in seiner Stadt sehr viel sehr lange dauert beziehungsweise die Prioritäten falsch oder gar nicht gesetzt werden. Was wiederum auch mit der Stimmungslage im Rathaus zu tun hat.

„Die Entwicklungen in der Stadtverwaltung machen uns große Sorgen“, verhehlt etwa Birgit Widmaier nicht. „Wir alle gemeinsam haben im Hinblick auf die derzeitigen Krisen viel zu tun. Es sollten deshalb keine Auseinandersetzungen geführt werden, die unnötig die Energie vergeuden, die eigentlich dringend für die anstehenden Themen benötigt wird“, spielt die Fraktionsvize der Grünen auf das Zerwürfnis zwischen Martin Georg Cohn und der Ersten Bürgermeisterin Josefa Schmid (FDP) an. „Hier erwarten wir von allen Personen professionelles Handeln. Zusammenhalt nicht Spaltung ist das Gebot der Stunde, wir stehen vor großen Herausforderungen.“

Anleihen bei Machiavelli und Pipi Langstrumpf

Axel Röckle sieht dabei besonders den Oberbürgermeister in der Pflicht. „Sie haben wohl Niccolo Machiavelli nicht verstanden, der einst sagte: Nicht der Titel verleiht dem Manne Glanz, sondern der Mann dem Titel.“ Den Fraktionschef der Freien Wähler stört, dass sich der OB vornehmlich auf das Projekt „Stadt für morgen“ fixiert, während die längst beschlossenen Projekte auf der Strecke blieben.

Ähnlich geht es der CDU. „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“, zitiert Elke Staubach Pippi Langstrumpf mit Blick auf Sanierungsstaus in Schulen und Hallen oder Cohns Kehrtwende bei der Stadthalle. Im Sommergespräch mit unserer Zeitung war der OB erstmals von einem Neubau abgerückt und hatte sich doch für eine Sanierung ausgesprochen.

Christa Weiß sieht mit Blick auf die angespannte Stimmung auch den Gemeinderat in der Pflicht: „Die gewählten Vertreterinnen und Vertreter müssen bei ihren Entscheidungen bedenken, dass sie ausschließlich dem Wohle Leonbergs und seiner Bürgerschaft verpflichtet sind“, mahnt die SPD-Fraktionsvize. „Das heißt für alle, nicht die eigenen oder die Parteiinteressen, nicht die eigene Karriere oder Profilierung müssen Grundlage des Handelns sein.“

Dieter Maurmaier spricht die in Cohns Buch zu lesende Behauptung an, Politik würde in Leonberg mitunter am Stammtisch gemacht: „Zu allerst führen wir Gemeinderäte politische Diskussionen mit der Bürgerschaft, die uns gewählt hat und die wir vertreten. Diese Diskussionen finden an vielen Orten statt; auf der Straße, auf dem Wochenmarkt, in den Vereinen, ja, auch am Stammtisch“, sagt der Chef der FDP-Fraktion. „Entschieden wird die Politik aber hier im Gremium“. Dies dürfte in Niedersachsen nicht anders sein, meint Maurmaier mit Blick auf Cohns Buchpassage, wonach im Norden ausschließlich Sachaspekte den politischen Entscheidungsprozess prägen würden.

Keine Ortschaftsräte mehr?

Keine gute Meinung hat Frank Albrecht von der gesamten Chefetage: „Man muss sich die Anrede Bürgermeister auch verdienen“, sagt der Sprecher der Wählerinitiative „Salz“. Das Hauptproblem im Rathaus sei ein „Führungsproblem“.

Mit einem konkreten Sparvorschlag wartet Gitte Hutter (Volt) auf: Die Ortschaftsräte sollten abgeschafft, der Gemeinderat dafür so vergrößert werden, dass die Teilorte angemessen vertreten sind. Diese Idee ist nicht ganz neu, in den vergangenen Jahren war sie aber nicht mehr diskutiert worden.