Jörg Widmaier vom Leonberger Reitstall „Am Benzenbühl“ hat seine Pferde für die Saison vorbereitet – am Samstag reitet der 39-Jährige in Weil der Stadt 2023 erstmals in den Springparcours.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Training auf dem Laufband? Erstlinge im Fitnessstudio haben ordentlich Respekt, aufs Band zu steigen, es einzuschalten und loszulaufen. Es gibt eine natürliche Scheu vor Unbekanntem samt Berührungsängsten. Was geht wohl in einem Pferd vor, das aufs Laufband soll? „Für manche Pferde ist’s ein bisschen gruselig, wenn sie da zum ersten Mal rauf sollen“, sagt Jörg Widmaier, „sie müssen sich dran gewöhnen, dass sie zwar laufen, aber eigentlich nicht von der Stelle kommen.“ Um es kurz zu machen: Die meisten Vierbeiner gewöhnen sich recht schnell an die Laufeinheit auf Band.

 

Im Leonberger Reitstall „Am Benzenbühl“, der Widmaiers Vater Günter gehört, sind die Sportpferde so vertraut mit dem Band wie mit dem Sattel. Mit dem nahenden Frühling steigt die Betriebsamkeit auf dem Hof, die 46 Springpferde werden seit einiger Zeit auf die Saison vorbereitet, nachdem im Winters die Bewegungs- und Übungseinheiten nicht ganz so intensiv waren. Wie Sportwagenbesitzer ihre Pferdestärken unter der Motorhaube im Frühling erwecken, so motivieren Jörg Widmaier und sein Kollege Tim Wagner ihre Sportpferde unterm Sattel. Kürzlich fanden am Benzenbühl ein Springreitkurs sowie ein Dressurkurs statt, Falk-Filip-Finn Westerich, der Landestrainer der Vielseitigkeit, referierte und unterwies – an diesem Wochenende geht’s zum ersten Turnier des Jahres nach Weil der Stadt, wo Jörg Widmaier, seine Tochter Emily und Tim Wagner in den Parcours reiten. 19 Pferde haben sie zum M-Springen gemeldet.

Raus aus der Winterlethargie, rein in den Frühling. „Wenn die Pferde keinen Spaß haben, springt keines über ein Hindernis“, sagt der 39 Jahre alte Widmaier, „es ist an uns, sie zu motivieren.“ Manche Vierbeiner spüren, dass bald wieder Wettkämpfe anstehen, anderen muss man ein wenig (im wahrsten Wortsinn) auf die Sprünge helfen. Da wurde zunächst der Konditionsstand der Tiere überprüft und gegebenenfalls aufgepeppt, die Reiter gehen häufiger in den Springparcours, um den Ausbildungsstand zu verbessern. Es geht für die Tiere in den Paddock, aufs Laufband oder auch mal nur zum Ausgehspaziergang. „Je abwechslungsreicher umso besser fürs Pferd“, sagt Tim Wagner.

Pferde im sechsstelligen Euro-Wert

Das alles gehört zum Job eines Pferdewirtschaftsmeisters wie Widmaier und eines Pferdewirts wie Wagner – seit Jahren basiert darauf das Geschäftsmodell des Hofs: Springpferde werden ausgebildet für deren Eigentümer, 163 Mitglieder zählt der Verein Pferdesportzentrum Benzenbühl aktuell, einige davon lassen auch sich selbst ausbilden und nehmen Reitunterricht. Neben den Lektionen werden die Sportpferde, die einen Wert zwischen 25 000 und 100 000 Euro je nach Können und Alter besitzen, regelmäßig auf Turnieren vorgestellt, um deren Leistungsstand zu überprüfen. Die Reiter befinden sich während der Saison im Grunde jedes Wochenende in einer anderen Stadt im Parcours, die Pferde bekommen immer wieder eine Pause und haben ein, zwei, drei Wochenenden frei.

Bevor ein Springpferd angeschafft wird, findet ein Probereiten statt, um ein Gefühl zu bekommen zwischen Mensch und Tier, und nach einer positiven Kaufentscheidung wird mit dem Eigentümer ein Plan erstellt, was das Pferd in welchem Zeitraum erlernen soll. Es kann passieren, dass Pferde getauscht werden, wenn der Mann im Sattel nicht so gut zurechtkommt wie erwartet. Denn die Vierbeiner haben ihren eigenen Charakter. „Das Pferd sucht sich seinen Reiter aus, nicht umgekehrt“, sagt Widmaier, der erläutert, dass die Tiere alle an den Sattel gewöhnt sind, wenn sie auf den Hof kommen: „Wir reiten keine Pferde zu.“

Pferde spüren, wenn ein Turnier bevorsteht

Danach ist Geduld eine wichtige Tugend, ohne die sich kein Erfolg einstellt. Wenn etwas nicht passt beim Springen übers Hindernis, wenn etwa die Distanz bei Absprung nicht stimmt, dann „sollte man zunächst das Problem auf dem Sattel suchen – und nicht darunter“, sagt der Junior-Chef. Hört sich an wie beim PC, wenn der nicht das tut, was er soll – dann sitzt das Problem häufig nicht in der Software, sondern vor dem Bildschirm.

Nun könnten Widmaier und Wagner die Pferde füttern, pflegen, reiten und ausbilden tagaus, tagein, ohne Daniel und Geli Widmaier wäre alles ziemlich vergebens. Jörgs Bruder Daniel ist verantwortlich für sämtliche Betriebsmittel und die Nahrung der Tiere, Jörgs Ehefrau Geli ist die Managerin. Sie koordiniert die Termine der Turniere und Pferde, kümmert sich um die Transportlogistik und um alles weitere in der Organisation. Damit kein Pferd in einem Parcours auftaucht, wo es nicht hingehört. Denn die Tiere sind Sportler, sie wollen auf Turniere und spüren es, wenn die Zeit reif ist, sich draußen die Ladeluken der Transporter öffnen und Betriebsamkeit herrscht. Wenn manchen Pferden die Transportgamaschen angelegt werden, „treten die anderen im Stall mit den Beinen an die Wände, weil sie mitwollen“, erzählt Jörg Widmaier. Im Parcours fühlen sich Springpferde wohler als auf dem Laufband.