Wie es Susan Gschwender und Georg Pfeiffer gelang, ihre Hochzeit lange unter Verschluss zu halten.

Leonberg - Es spricht für das Pflichtbewusstsein eines deutschen Beamten, wenn er neben seinen Aufgaben zudem die nicht immer leicht umzusetzende Tugend der Geheimniswahrung befolgt. Gerade in letzterer Hinsicht hat der Standesbeamte Jürgen Beck vorbildlich gehandelt.

 

Dass Frischvermählte überhaupt nicht wollen, dass ihr Bund fürs Lebens publik wird, kommt immer mal wieder vor. Doch dass die Angetrauten ihre Vermählung nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt unter der Decke halten möchten, das erlebt der Chef des Ordnungsamtes eher selten.

Schweigegelübde für alle

Als aber der Leonberger Klavierfabrikant Georg Pfeiffer und seine langjährige Lebenspartnerin, die Immobilienmaklerin Susan Gschwender, vor Weihnachten den obersten Standesbeamten in ihre Ehepläne eingeweiht hatten, verbanden sie dies mit einem Schweigegelübde: Niemand, wirklich niemand, dürfe von der Trauung erfahren. Zumindest vorerst.

Da es das Aufgebot, also die gesetzlich verpflichtende Offenlegung einer Ehe, schon seit 20 Jahren nicht mehr gibt, sah der Standesbeamte keinen Grund, diesen Wunsch zu verwehren. Mehr noch: Nicht einmal der eigenen Partnerin berichtete Beck von der Trauung, die er kurz vor Heiligabend im Alten Rathaus vollzogen hatte.

Und auch die war in Sachen Geheimhaltung nicht ganz ohne Nervenkitzel: Denn just zu dem Moment, als die Brautleute oben im Trauzimmer standen, wurde unten im Bürgeramt Wolfgang Schaal wegen einer Privatangelegenheit vorstellig.

Beinahe-Begegnung im Alten Rathaus

Schaal und Pfeiffer sind nicht nur Fraktionskollegen bei den Freien Wählern im Gemeinderat, sondern auch persönlich befreundet. Kaum anzunehmen, dass die Geheimhochzeit noch lange geheim geblieben wäre, hätte Schaal durch Zufall davon Wind bekommen. Doch der Chef des Ordnungsamtes sorgte dafür, dass sich die drei nicht über den Weg liefen. Erst dann konnte sich das Brautpaar beruhigt das Ja-Wort geben.

Fast auf den Tag genau einen Monat später lädt der offiziell ledige Pfeiffer zu seinem 60. Geburtstag ein. Der Unternehmer und Kommunalpolitiker feiert traditionell im Fünf-Jahres-Rhythmus, und so wundert sich niemand, dass die Einladungskarte in englischer Schreibschrift auf Büttenpapier besonders edel ausschaut.

Ob Politiker, Geschäftsleute oder Künstler: gefühlt halb Leonberg pilgert nach Stuttgart ins „Nil“. Und aus der Landeshauptstadt selbst kommen auch zahlreiche Gäste. Georg Pfeiffer ist ein Freund der Muse, mit etlichen Künstlern befreundet und ein Förderer der Kultur. Seinen 60. Geburtstag widmet er der Stiftung Stuttgarter Musikschule. Statt Geschenken bittet der Klavierfabrikant um Spenden.

Spenden für die Musikschule

Die Gründe erläutert Friedrich-Koh Dolge. Der Leiter der Musikschule selbst hat sich unter die Gästeschar gemischt und erklärt, dass sein Haus, wiewohl eine Kommunaleinrichtung, auf private Unterstützung angewiesen ist. Mit den Zuwendungen des Geburtstages soll ein neues Klavier bezahlt werden.

Ein guter Zweck, das finden fast alle Gäste, die ein breites gesellschaftliches Spektrum abbilden. Sei es nun der Leonberger Baubürgermeister Klaus Brenner, seine Vorgängerin Inge Horn, der langjährige Chef der Leonberger SPD-Fraktion, Jürgen Stolle oder der aktuelle Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Axel Röckle, um nur einige zu nennen. Der eine oder andere mag sich über die Anwesenheit des Ordnungsamtsleiters Beck wundern. Doch Georg Pfeiffer hat ja breit eingeladen.

Heiratsurkunde kurz vor Mitternacht

Es geht auf Mitternacht zu, alle bereiten sich auf die Gratulation vor, denn das Geburtstagskind feiert rein. Ein Zauberer hält solange die Gäste bei Laune. Ein Umschlag wird geöffnet, das darin liegende Papier verlesen: die Heiratsurkunde vom 20. Dezember 2018. Ein ungläubiges Raunen geht durch den Saal: Soll das ein Witz sein?

Dann dämmert es den meisten. Es ist wahr: Susan und Georg haben geheiratet. Jubel brandet auf, der eine oder andere mag über die neue Erbsituation nachdenken, dann beginnt ein nicht enden wollender Gratulationsreigen. Dass darin der Geburtstag, der ursprüngliche Anlass des Festes, fast untergeht, stört niemanden. Den Jubilar am allerwenigsten.