Ein Bordellbetreiber will vor seinem Haus Gäste mit Kaffee bewirten. Falls das Ansinnen genehmigt wird, sind weitreichende Folgen für den Straßenstrich zu erwarten.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Die gastronomische Anfrage hatte schon vor der ersten Bestellung einen Beigeschmack. Der Betreiber der Gaststätte Maxim an der Katharinenstraße würde gern auf dem Gehweg vor seinem Haus Gäste bewirten, bescheiden, nur mit einem Tässchen Kaffee. „Die Frage ist, woher der Kuchen kommt“, sagte die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle. Denn das kulinarische Angebot des Lokals ist unerheblich. Das Maxim ist ein Bordell, eines der ältesten der Stadt.

 

Dass der Bezirksbeirat das Ansinnen ablehnen würde, war vorab entschieden. Die eigentliche Frage war aber: Mit welcher Begründung? Gleich nebenan serviert der Wirt des gänzlich seriösen Restaurants Brust oder Keule auf Wunsch Champagner, im Sommer auch im Freien. Vor dem Lokal durften sogar die azurblauen Sonnenschirme im Gehweg verankert werden. Aus Gründen der Gleichbehandlung dürfte dem Wirt im Haus Nummer 21c nicht verweigert werden, was dem im Haus Nummer 21b erlaubt ist.

Betrieb und Betreiber sind im Bezirksbeirat wohlbekannt

Um Argumente zu sammeln, erwog Kienzle, „erstmal das Amt für öffentliche Ordnung und die Sitte zu fragen, was von dem Lokal zu halten ist“. Was aber insbesondere den Sozialdemokraten überflüssig schien. „Wir können offen darüber reden, es ist ein Bordell“, sagte der SPD-Stadtrat Dejan Perc, „ich hielte eine Außengastronomie für fatal.“ In der Tat ist nicht nur der Betrieb den Lokalpolitikern wohlbekannt, sondern auch der Betreiber. Bis vor wenigen Jahren saß er regelmäßig in ihrer Mitte – als Entsandter der Christdemokraten.

Letztlich fiel die Entscheidung gegen die Bewirtung erwartungsgemäß einstimmig. Dies wegen „der Gefahr, dass das Milieugewerbe dort Platz nimmt und den öffentlichen Frieden stört.“ Dies insbesondere, weil das Lokal direkt gegenüber der Jakobschule liegt. Warum die Stadt das Bundesgesetz nicht anwendet, nach dem Prostitution in der Nähe von Kinder- und Jugendeinrichtungen grundsätzlich zu untersagen ist, gehört zu den Geheimnissen der Verwaltung im Umgang mit der Rotlichtbranche.

Ob das Nein gilt, ist allerdings unklar. Gerade bei Entscheidungen gegen die Gastronomie brauchen die Bezirksbeiräte grundsätzlich „eine hohe Frustrationstoleranz“, wie Kienzle formulierte, weil „sie regelmäßig wieder kassiert werden“. Dies in der Mehrzahl der Fälle vom Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Unwissen wäre ihm in diesem Fall kein Grund für sein Veto. Als einstiger Polizeipräsident ist Schairer durchaus kundig im Milieu.

Das Ansinnen kann unübersehbare Auswirkungen haben

Falls die formaljuristische Prüfung ergibt, dass die Genehmigung erteilt werden muss, dürfte dies unübersehbare Auswirkungen auf den Rotlichtbetrieb haben. Den Straßenstrich hat die Stadt nahezu abgeschafft. Dazu waren allerlei juristische Findigkeiten nötig, denn Frauen dürfen auf der Straße zwar keine Freier ansprechen, aber sie dürfen selbstverständlich vor Bordellen zum Beispiel eine Zigarette rauchen.

Kein Polizist darf einer Prostituierten verbieten, in einem Café zu sitzen, auch nicht, dort mit Männern ins Gespräch zu kommen. Weshalb die Entscheidung über das Maxim im Milieu mit Interesse erwartet wird. Sie könnte zur neuen Geschäftsidee werden: dem sitzenden Straßenstrich. Dessen Verbreitung wäre kein Problem. Alle Bordellbetreiber im und ums Leonhardsviertel haben eine Gaststättenlizenz.