Die Stadt will bis zum Sommer eine Entscheidung pro oder contra Prostitution im Leonhardsviertel herbeiführen. Nach Lage der Dinge stören sich weder Bürger noch Gewerbetreibende daran. CDU-Chef Kotz meint sogar, eine Großstadt vertrage ein Mini-Vergnügungsviertel.

Die Stadt will Bordelle und bordellartige Betriebe aus dem Leonhardsviertel verbannen. „Bordelle haben eine nicht zu unterschätzende Auswirkung: Sie ziehen eine bestimmte Klientel an. Viele der Gebäude sind in keinem guten Zustand, man hat nur Geld rausgeholt. Die Stadt kauft schon seit Jahren Grundstücke und Gebäude mit dem Ziel, dass man wieder ein ordentliches Viertel daraus macht“, sagte Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) unlängst im Interview mit dieser Zeitung: „Uns schwebt ein attraktives Stück Altstadt vor für alle und kein Luxusviertel.“ Weiter sagte er: Die Stadt habe die Planungshoheit. Es sei im Sinne der Stadt, dass Verwaltung und Gemeinderat klar sagen, wie ein bestimmtes Stadtviertel am besten zu nutzen sei.

 

Doch wissen Verwaltung und Gemeinderat wirklich, wie das Viertel am besten zu nutzen ist? Wissen Stadt und Politik wirklich, wie die Menschen in diesem Quartier denken?

Erste Zweifel sind entstanden, nachdem der Bezirksbeirat der Vorlage einer neuen Vergnügungsstättensatzung nicht zustimmte. SPD-Bezirksbeirat Heinrich Huth legte schon damals den Finger in die Wunde: „Es ist viel von Aufwertung die Rede, überhaupt nicht von bezahlbarem Wohnen. Wer schützt wie vor Gentrifizierung?“ Nach seiner Meinung stellt sich die Frage: „Was stört mehr: ein Bordell oder eine angesagte neue Hipster-Bar?“ Huth kritisierte, dass die Meinung der „realen 800 tollen Bürgerinnen und Bürger“ bei den Planungen nicht berücksichtigt worden sind.

Die Folge nach der Ablehnung im Bezirksbeirat: Man wollte der vox populi nachspüren. Doch des Volkes Stimme konnte in nicht-öffentlicher Sitzung nur bedingt sprechen. Medien hatten keinen Zugang. Gleiches gilt für die anschließende Sitzung eines Unterausschusses des Gemeinderats. Wer nun aber mit Teilnehmern beider Veranstalter spricht, ahnt, warum der Runde Tisch zur Leonhardsvorstadt im limitierten digitalen Raum ohne Medienvertreter stattfand. Denn die Mehrheit der Diskutanten, so versichern mehrere Teilnehmer, sind mit den Plänen der Stadt nicht einverstanden.

Pläne der Stadt stoßen auf Widerstand

Darunter auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz. Er selbst bestätigt, dass er zum Ende der Sitzungsleiterin und Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle verbal auf die Finger geklopft habe. Der Grund: Sie hatte das Ergebnis der Sitzung ins Gegenteil verkehrt. „Die Mehrheit der Wortmeldungen waren so, dass man kein Grundproblem mit der Prostitution hat“, sagt Kotz, „und dass die Debatte so eingeschränkt auf die Prostitution reduziert wird, habe auch ich kritisiert. Denn die ganze Sache hat eigentlich nichts mit Prostitution zu tun“. Kotz ist dagegen der Meinung, „wer Großstadt sein will, muss auch ein Mini-Vergnügungsviertel“ tolerieren. Veronika Kienzle widerspricht indes der Darstellung: „Das ist nicht in Ordnung. Das kann ich nicht so stehen lassen.“

In eine ähnliche Richtung wie Kotz argumentieren jedoch auch die Betreiber einiger Gastronomiebetriebe. Am Runden Tisch vertraten zwei Vertreter der Gastronomie sogar die Meinung, dass das Leonhardsviertel durch die Sicherheitsdienste der Vergnügungsstätten sicherer sei.

Veronika Kienzle vermisste Bürger am Runden Tisch

Auch Heinrich Huth erlebt die Debatte ums Leonhardsviertel mit Verwunderung. Es sei, als ob „die Interessen der Menschen dort völlig ignoriert werden“. Er hätte sich gewünscht, dass diese Menschen am Runden Tisch gehört worden wären: „Es wird so getan, als bestünde das Viertel nur aus Prostitution.“ Für Huth ist es vielmehr so, als wolle man aus einem funktionierenden Organismus einen Teil herausschneiden. Huths Stellvertreterin, Mihela Manachidis, bedauert zudem, dass die ganzen Ergebnisse der Planungswerkstatt zur Leonhardsvorstadt „plötzlich kaum noch eine Rolle spielen“.

Auch hier legt Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle Einspruch ein: „Im Gegensatz zu den Runden Tischen der Vergangenheit nahmen an dem jüngsten nur wenige Anwohner teil.“ Früher seien es von 100 Teilnehmern etwa 60 Bürger und Anwohner gewesen, nun zählte sie nur sechs Anwohner, die ihr Recht auf Beteiligung wahrgenommen hätten.

Ungeachtet aller Diskussionen über die Zukunft des Viertels arbeitet die Verwaltung weiter daran, mit einer modifizierten Vorlage „einen Satzungsbeschluss zum Ende des Jahres, Anfang 2023, hinzukriegen“ (Bürgermeister Pätzold). Auch Veronika Kienzle geht davon aus, dass die politischen Gremien „noch vor der Sommerpause“ darüber entscheiden, ob im Leonhardsviertel das Rotlicht ausgeknipst wird.