Die Lerchenrainschule gehört zwar nicht zu den Werkrealschulstandorten in Stuttgart, die geschlossen werden sollen. Doch Dorothea Grübel, die Schulleiterin, will, dass ihre Schule auch in einem zweigliedrigen Schulsystem bestehen könnte.

S-Süd - Kinder brauchen unterschiedliche Wege, um zu lernen. Dieses Potenzial verschwinden zu lassen, wäre ein Jammer“, sagt Dorothea Grübel, die Leiterin der Lerchenrainschule. Sie sagt dies aus Überzeugung und vor dem Hintergrund, dass in Stuttgart die Schließung mehrerer Werkrealschulen ansteht. Sie sagt das nicht, weil sie glaubt, dass sich die Schließung von Werkrealschulstandorten verhindern lässt, sondern weil sie hofft, dass die Landesregierung ein tragfähiges Konzept für die Weiterentwicklung der Schullandschaft formuliert. Eines, das nicht allein durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung Tatsachen schafft. Und es sollte aus Grübels Sicht den jetzigen Werkrealschulen eine Chance geben, sich neu zu positionieren. Die Lerchenrainschule ist eine der 13 Werkrealschulen Stuttgarts, die nicht geschlossen werden sollen.

 

Das Ziel, eine Gemeinschaftsschule zu werden, hat Dorothea Grübel für ihre Grund- und Werkrealschule nie formuliert. Dabei hat die Lerchenrainschule alle Bausteine, die es dafür bräuchte, etwa in Form der Ganztagsbetreuung und durch die Inklusion behinderter Kinder. „Mein Ziel ist es, die Lerchenrainschule so aufzustellen, dass wir auch in einem zweigliedrigen Schulsystem bestehen können“, sagt Grübel. Um die Schule dafür bestmöglich vorbereiten zu können, bräuchte es aber vom Land klare Rahmenbedingungen.

Dorothea Grübel setzt auf das Profil ihrer Schule

Falls die Ausbildung eines zweigliedrigen Schulsystems das Ziel sei, so Grübel, funktioniere dies nur, wenn neben dem Gymnasium eine Schulart etabliert werde, die einen einheitlichen, mittleren Bildungsabschluss anbiete. Bei diesem Abschluss solle nicht unterschieden werden, ob der Schüler an einer Realschule oder an einer Werkrealschule war. „Die Eltern nehmen bei der Wahl der Schule für ihre Kinder mehrheitlich die Schulabschlüsse wahr, nicht die Profile der Schule“, begründet die Pädagogin diese Forderung. Die Schulen könnten erst dann mit ihren Profilen punkten, wenn bei der Wahl der Schule nicht mehr die Abschlüsse im Vordergrund stünden. Dennoch oder gerade deshalb setzt Grübel darauf, das Profil der Lerchenrainschule zu schärfen, denn sie ist überzeugt davon, dass Schulen, die Heranwachsende verstärkt auf Ausbildungsberufe vorbereiten, weiter gebraucht werden.

Die Lerchenrainschule beispielsweise zeichnet sich durch ein breites Sportangebot und eine intensive Vorbereitung auf die Arbeitswelt aus. Zudem kommt der Förderung des sozialen Engagements der Schüler eine besondere Bedeutung zu. „Wir haben ein freiwilliges soziales Schuljahr eingeführt. Während dieses Jahres sind die Schüler zwei Stunden die Woche ehrenamtlich in einer sozialen Einrichtung tätig“, beschreibt Grübel das Projekt. Auf diese Weise erhielten viele Jugendliche Einblick in eine Branche, in der es vielfach an Personal fehlt. „Da kriegen auch junge Männer mit, dass sie als Erzieher gefragt sind“, freut sich Grübel.

„Die Kinder, die wir haben, sind keine anderen“

Unterschiedliche Schwerpunkte in der pädagogischen Arbeit der Schulen sind aus Sicht der Leiterin der Lerchenrainschule schon deshalb ein Muss, weil „die Kinder, die wir haben, keine anderen sind – egal, an welcher Schulart sie unterrichtet werden“. Mit Herausforderungen wie den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen, schwierigen Familienverhältnissen und individuellen Lerngeschwindigkeiten seien Lehrer weiterhin konfrontiert. Deshalb empfindet Grübel es als Kapital, dass die Pädagogen der Werkrealschulen gewohnt sind, ihre Arbeit auf eine heterogene Schülerschaft auszurichten.

Dieses pädagogische Kapital zu erhalten, wird jedoch nicht einfach. Aufgrund der schwindenden Schülerzahlen an den Werkrealschulen und dem stetig wachsenden Raumbedarf von Realschulen und Gymnasien hat die Stadt die schrittweise Schließung von 18 Werkrealschulen angekündigt. Im Süden trifft es die Heusteigschule. Deren Werkrealschulzweig soll nach und nach geschlossen werden. Dass der Standort Lerchenrainschule mittelfristig gesichert ist, erklärt sich Dorothea Grübel mit dem pädagogischen Konzept der Schule und ganz pragmatisch, etwa mit der Lage der Schule, der guten Anbindung an den Nahverkehr sowie der räumlichen Ausstattung des Schulgebäudes. Sie sagt aber auch: „Es gab immer wieder Zeitpunkte, wo sich Schulen neu orientieren mussten, um sich den Bedürfnissen im Stadtteil anzupassen.“ Dieser Prozess ist für sie noch nicht abgeschlossen.