Katja Bürkle und Silja Bächli lieben sich seit elf Jahren. Heute haben sie zwei Kinder. Im Interview erzählen sie, wie ihre Familie funktioniert.  

Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Feldkirchen - Man sollte meinen, dass zwei angesagte Schauspielerinnen in einem hippen Innenstadtviertel wohnen. Stattdessen landet man in der Münchner Peripherie, im oberbayerischen Kaff Feldkirchen. Katja Bürkle, 33, und Silja Bächli, 37, sitzen an diesem sonnigen Vormittag in ihrem Garten, Tochter Lena ist in der Schule, Sohn Moses im Hort. Gute Voraussetzungen, um indiskrete Fragen zu stellen.

 

Frau Bürkle, Frau Bächli, Sie sind nunmehr seit elf Jahren ein Paar. Verraten Sie, wie Ihre Liebesgeschichte begann?

Katja Bürkle: Ganz simpel wir haben uns im Jahr 2000 bei meiner ersten Arbeit am Stuttgarter Staatstheater kennengelernt. "Der Zauberer von Oz" - Silja spielte die Vogelscheuche und ich die kleine Dorothee.

Davor gab es in Ihrem Leben bereits eine andere wichtige Episode: Mit 19, in Ihrem ersten Jahr an der Stuttgarter Schauspielschule, wurden Sie schwanger. Lenas Vater, Florian Huber, war ein Kommilitone. Wie hat er reagiert, als Sie ihm eröffnet haben, dass Sie ihn wegen einer Frau verlassen?

Bürkle: Florian und ich hatten keine feste Beziehung. Wir haben es zusammen versucht, auch wegen des gemeinsamen Kindes, das unterwegs war. Wir mögen uns nach wie vor sehr, sind stolze Eltern. So wie sich unser gemeinsames Leben jetzt gestaltet, ist das richtiger für uns beide und alle anderen Beteiligten.

Sind Schauspielerinnen lockerer drauf als - sagen wir - Betriebswirte?

Bürkle: Was meinen Sie mit lockerer? Der Charakter oder das Denken eines Menschen, wie auch seine Vorstellung und seine Art, das Leben zu leben, haben nichts mit der Berufswahl oder besser mit der Arbeit eines Menschen zu tun. Es gibt lockere wie verkrampfte Schauspielerinnen, Betriebswirte, Bäcker, Kindergärtner, Lehrer, Journalisten, Automechaniker ...

Silja Bächli: Vielleicht kann man am Theater offener mit seinem Lebensstil umgehen. Und zwar offener mit allen Arten von Lebensstilen. Homosexualität ist sicherlich in vielen Bereichen noch ein Problem oder Tabu. Mein Vater, er leitet ein Heim für schwer erziehbare Kinder, hat mir erzählt, dass sich in seinem Kollegium Lehrer nicht outen, da sonst die Eltern denken würden, dass sich ein schwuler Mann ja an ihren Kindern vergreifen könnte. Völlig absurd, denn bei heterosexuellen Lehrern, die sicherlich in der Mehrheit sind, geht man ja auch nicht von einer grundsätzlichen Gefahr des sexuellen Übergriffs aus.

Haben Sie sich jemals Gedanken darüber gemacht, ob Sie hetero, homo oder bi sind?

Bürkle: Darüber habe ich nie nachgedacht. Aber mir war immer bewusst, dass ich Frauen und Männer lieben kann.

Bächli: Ich hatte Beziehungen mit Männern und Frauen. Dann begegnete ich Katja - sie ist der Mensch, mit dem ich zusammen sein und eine Familie haben will.

Warum haben Sie sich als Vater Ihres Kindes denselben Mann ausgesucht, von dem bereits Ihre Partnerin eine Tochter hatte?

Bächli: Das ist doch naheliegend. Florian ist ein wundervoller Mensch und ein toller Vater. Das wussten wir ja durch ein siebenjähriges gemeinsames Leben, als Eltern unserer Tochter Lena. Außerdem sind unsere Kinder dadurch Halbgeschwister und somit über die sozialen Familienbande hinaus miteinander verbunden.

Herr Huber ist ein attraktiver Mann. Wäre auch ein Kurzsichtiger mit Glatze und Bierbauch als Samenspender infrage gekommen?

Bächli: Seien Sie gewiss, dass solch oberflächliche Kategorien bei unserer Entscheidung, ein Kind in diese Welt zu setzen, keine Rolle gespielt haben. Salopp ausgedrückt - auch als glatzköpfiger, dicker Brillenträger wäre Florian genau der Richtige gewesen. Er ist einfach ein guter Vater.

War Herr Huber sofort bereit, Ihren Kinderwunsch zu erfüllen?

Bächli: Wir versuchen verantwortungsvoll und bewusst miteinander umzugehen, als Familie, Eltern und Partner, dementsprechend trifft man eine solch weit tragende Entscheidung nicht leichtfertig. Also gab es ein Jahr Bedenkzeit für alle Beteiligten.

Und dann?

Bächli: Dann waren wir bei verschiedenen Ärzten und haben erst mal offen gesagt, dass wir zwei Frauen sind, die ein Kind wollen und auch den dazugehörigen Vater haben. In Deutschland darf offiziell kein Arzt einem lesbischen Paar zu einem Kind verhelfen. Eine Gynäkologin sagte: "Ein Kind ist kein Accessoire. Bei Homosexuellen weiß man ja nie, ich bin schließlich dafür verantwortlich, dass das Kind nicht auf der Straße landet..." In einer privaten Kinderwunschpraxis erklärte man uns: "Wir können den besten Zeitpunkt für eine Befruchtung bestimmen, den Rest müssen Sie selbst erledigen." Schließlich fanden wir einen Gynäkologen, der dachte wohl, Florian und ich seien ein Paar, da Katja keine Zeit hatte und nicht mitgekommen war. Er meinte nur: "Ich verstehe. Sie sind ein unverheiratetes Paar und wollen ein Kind. Mehr muss ich nicht wissen."

Den Zeugungsvorgang stelle ich mir ziemlich unromantisch vor.

Bächli: Was meinen Sie, wie viele Kinder ohne Romantik gezeugt werden und wie viele Ehepaare heutzutage mit Hilfe der modernen Medizin ein Kind bekommen? Der Zeugungsvorgang ist doch per se unromantisch: Da ist ein Spermium, dort eine Eizelle - und die müssen irgendwie zusammenkommen, damit neues Leben entstehen kann. Der Begriff "romantisch" entspringt in dem Zusammenhang einem christlich-kulturellen Überbau. Ich sehe das ganz pragmatisch, in unserem Fall reden wir von Insemination: Der Mann gibt sein Sperma ab, der Arzt führt den Samen ein. Das ist ein Akt von drei Minuten.

Zwei Mütter und ein Vater, mit zwei gemeinsamen Kindern

Seit Ihr Sohn Moses auf der Welt ist, ist Ihre Familie noch außergewöhnlicher.

Bürkle: Ich kenne tatsächlich keine andere Familie mit einer solchen Entstehungsgeschichte. Aber ich weiß von allen möglichen anderen Konstellationen: Patchwork in jeglicher Hinsicht, Kinder aus verschiedenen Beziehungen, alleinerziehende Mütter wie Väter, Lebensgemeinschaften über mehrere Generationen. Bei uns ist das doch übersichtlich: Wir sind zwei Mütter und ein Vater, mit zwei gemeinsamen Kindern.

Sie haben acht Jahre lang zusammen in Fellbach-Schmiden gewohnt. Wurde nicht einmal in der Nachbarschaft getuschelt?

Bächli: Keine Ahnung. Katja ist in Schmiden aufgewachsen, fast jeder kennt sie dort. Wir fühlten und fühlen uns dort sehr wohl und geschätzt als die Menschen, die wir sind. Getuschelt wird wohl immer und überall, aber offene Diskriminierung haben wir bis jetzt noch nicht erfahren müssen.

Und Ihre Eltern, was sagen die?

Bürkle: Ich habe ganz wundervolle Eltern, die vier Kinder großgezogen haben. Trotz gleicher Erziehung sind vier vollkommen verschiedene Individuen entstanden, mit unterschiedlichen Neigungen und Interessen. Meine Eltern haben immer zu mir gesagt: "Du kannst jeden nach Hause bringen, egal, ob schwarz, grün, gelb, Mann, Frau oder sonst was. Nur bei Nazis und Drogendealern, da wird es schwierig."

Bächli: Ich bin in der Schweiz auf dem Dorf aufgewachsen. Meine Eltern waren Außenseiter und wurden misstrauisch beäugt, weil sie alternativ lebten und sich politisch engagierten. Flüchtlinge und Bedürftige haben bei uns gewohnt. Ich wurde nicht getauft, trug Batikkleider und musste früh lernen, ein Anderssein zu verteidigen. Manchmal habe ich mir gewünscht, ich würde Sandra heißen und in einem Reihenhaus wohnen. Heute bin ich froh über meine außergewöhnliche Kindheit. Anpassung verschafft einem Kind nicht unbedingt Vertrauen und Bewusstsein für sich selbst.

Sie sind beide wohlbehütet aufgewachsen. Haben es Ihre Kinder genauso gut?

Bürkle: Unsere Eltern sind Lehrer, wir sind Schauspielerinnen. Klar wirkt sich der Beruf der Eltern auf den Alltag der Kinder aus. Als Schauspieler hat man einen sehr unsteten Arbeitsrhythmus. Da gibt es Phasen, in denen man sehr wenig zu Hause ist und viel arbeitet, und dann aber auch wieder ruhige Zeiten, in denen die Familie an erster Stelle steht. Jetzt zum Beispiel habe ich bis Mitte Oktober keine Proben, verbringe also viel und gerne Zeit mit den Kindern. Wir haben ein großartiges Netzwerk aus Verwandten, Freunden und Babysittern, das uns auffängt. Ich glaube nicht, dass es Lena und Moses schlechter haben als Silja und ich früher. Sie wachsen eben anders auf.

Man könnte auch sagen: Ihre Kinder wachsen in einer Familie auf, die nicht der gesellschaftlichen Norm entspricht.

Bürkle: Was verstehen Sie unter Norm? Mann, Frau, verheiratet, ein Junge, ein Mädchen, Eigenheim, sonntags in die Kirche? Man wird in etwas hineingeboren, man wächst so auf, wie man aufwächst, und das wird dann für einen zum Maßstab der Normalität. Wir versuchen unseren Kindern ein gesundes Selbstbewusstsein zu geben, in dem Sinne, dass es einfach gut ist, dass sie auf dieser Welt sind. Mit allen Fragen, Zweifeln und Ängsten, die es in allem Schönem auch immer gibt. In der ersten Klasse musste Lena einen Aufsatz schreiben zum Thema "Meine Familie". "Ich habe zwei Mamas und einen Papa", war der erste Satz. Die Selbstverständlichkeit, mit der Lena das formuliert hat, hat uns sehr gefreut.

Durch Ihre feste Beziehung und Ihre zwei Kinder sind Sie recht unflexibel. Schadet die Familie Ihrer Schauspielerkarriere?

Bürkle: Wenn man Kinder hat, zwingt einen das, in längerfristigen Zeiträumen zu denken. Man trifft keine leichtfertigen Entscheidungen. Ein Ortswechsel mit der ganzen Familie ist ein großer Einschnitt für alle Beteiligten. Aber bis heute kann ich sagen, dass ich noch nie aufgrund der Kinder oder der Beziehung Abstriche in meinem Berufsleben machen musste oder gemacht habe. Da kommt dann wieder diese wundervolle Großfamilie ins Spiel, die uns in harten Arbeitsphasen unter die Arme greift. Und München-Stuttgart ist eine Distanz, die dieses Miteinander zulässt.

Sie sind jetzt Mitte 30 und in einer Branche beschäftigt, in der kräftig gespart wird. Sind Sie sicher, dass Sie mit Ihrem Beruf in zehn Jahren noch eine Familie ernähren können?

Bürkle: Mich persönlich plagen keine Existenzängste. Gespart wird ja in vielen Branchen. Aber die zunehmende Ökonomisierung etlicher Lebensbereiche macht mir große Sorgen - ob das Kultur, Bildung oder soziale Dienste betrifft. Wie leichtfertig vermeintlich Überflüssiges wegrationalisiert wird, ist erschreckend. Gegen diesen Kahlschlag gilt es anzukämpfen.

Bächli: Ich musste mich bis jetzt noch nicht verbiegen, um als Schauspielerin Geld zu verdienen. Ich möchte auch weiterhin die Möglichkeit haben, so zu arbeiten, dass ich das, was ich tue, vertreten kann und dafür gerne Verantwortung übernehme. Und ich weiß, dass ich mich jederzeit von der Bühne verabschieden könnte, wenn ich zu viele Kompromisse eingehen müsste. Dann gibt es andere sinnvolle Dinge, die mich erfüllen könnten. Die Arbeit mit Kindern, Musik. Ich würde auch Bäuerin werden.

Ausbildung in Stuttgart: Der Weg zur renommierten Bühnenkünstlerin

Schwäbin Katja Bürkle, Jahrgang 1978, wuchs als Lehrerkind in Fellbach-Schmiden auf, feierte beim örtlichen TSV als rhythmische Sportgymnastin frühe Erfolge, lernte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart den Schauspielberuf und wurde anschließend am hiesigen Staatstheater engagiert. 2002 wurde sie von "Theater heute" zur "Nachwuchsschauspielerin des Jahres" gekürt, die Fachzeitschrift schrieb: "Katja Bürkle hat das Zeug zum Hollywoodstar." 2008 wechselte die Schwäbin an die Münchner Kammerspiele. Daneben übernahm sie Fernsehrollen im "Tatort" und im "Polizeiruf 110".

Schweizerin Auch Silja Bächli, geboren 1973, ist Tochter eines Pädagogenpaares und stammt aus einer Kleinstadt: Zofingen im Schweizer Kanton Aargau. 1994 begann sie ein Schauspielstudium in Stuttgart, vier Jahre später stand sie bereits auf der Bühne des Staatstheaters. Bis zur Geburt ihres Sohnes war sie eine der meistbeschäftigten Bühnenkünstlerinnen der Stadt. Inzwischen ist sie nur noch in zwei Produktionen pro Spielzeit in Stuttgart zu sehen und gastiert außerdem an den Münchner Kammerspielen. Nebenbei singt Silja Bächli in den Stuttgarter Bands Bächli & Braun Country Sextett und Long Lost Souls.