Die Leser-Uni der StZ geht in eine neue Runde. Themen sind: „Gentests für alle: notwendig oder gefährlich?“ sowie „Der Quantencomputer: wie funktioniert die Informationstechnik der Zukunft?“

Stuttgart - Liebe für immer, Treue auf Lebenszeit und dauerhaft guten Sex: wer sich so seine Zukunft ausmalt, sollte nichts dem Zufall überlassen. Stattdessen sollte er oder sie per Gentest die immerwährende Liebe im World Wide Web finden. Immer mehr Unternehmen im Internet durchforsten das Erbgut der Kunden auf der Suche nach dem Traumpartner.

 

Und wer schon einmal dabei ist, könnte die Gene seines Zukünftigen auch gleich noch für den potenziellen Nachwuchs untersuchen lassen: Immer wieder finden Forscher angeblich Erbanlagen für unerwünschtes Verhalten. Bereits 1993 erklärte der amerikanische Molekularbiologe Dean Hammer, er habe ein Gen für homosexuelle Tendenzen gefunden. Bis heute konnte dieses Schwulen-Gen allerdings nicht dingfest gemacht werden.

Obskure Erbanlagen

Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Gen für irgendeine Verhaltensweise gefunden wird. So meldeten Forscher obskure Erbanlagen, die Kinder zu Kleinkriminellen oder zu Intelligenzbolzen werden lassen. Häufig postuliert werden auch Erbanlagen für Neugier, spirituelle Erlebnisse, die Sucht nach Alkohol, Drogen und Nikotin, für Aggressivität oder Gefräßigkeit. Doch meist folgt diesen Sensationsmeldungen – oft unbemerkt von der Öffentlichkeit – das Dementi, weil die zweifelhaften Ergebnisse aus dem Genlabor wissenschaftlich nicht haltbar waren. Der Gentest vor der Geburt oder in der Kinderkrippe zur Früherkennung künftiger Krimineller oder kleiner Wahrsagerinnen bleibt so im Bereich der Science-Fiction.

„Der Mensch ist nicht die Summe seiner Gene“, sagt Olaf Rieß, Direktor des Instituts für Medizinische Genetik der Universität Tübingen. Komplexes Verhalten sei nicht in einzelnen Erbanlagen gebündelt. Die Gesellschaft und die Umwelt seien für die individuelle menschliche Entwicklung ebenso prägend. Stärker als auf das Verhalten wirken die Gene auf die Gesundheit. Seltene Genveränderungen, sogenannte Mutationen, rufen mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere Erkrankungen hervor, erklärt Rieß, der vor zwei Jahren an der Uni Tübingen das Zentrum für seltene Erkrankungen gegründet hat.