Kurz vor dem Start des Deutschlandtickets am 1. Mai sind potenzielle Nutzer noch verunsichert. Warum ist das ein Abo? Wie kann ich kündigen? Muss ich als Stammkunde etwas tun? Bei einer Leseraktion haben sich Experten vielen Fragen gestellt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Nur noch gut eine Woche ist es bis zum Start des Deutschlandtickets am 1. Mai. Seit dem Verkaufsbeginn Anfang April hat der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) etwa 30 000 neue Kunden gewonnen – und hat damit den Abonnentenschwund durch die Coronapandemie schon etwas mehr als drei Wochen nach Verkaufsbeginn zu mehr als der Hälfte wieder ausgeglichen. Bis auf wenige Tausend sind inzwischen auch die Bestandsabos umgestellt.

 

Bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) heißt das, dass diejenigen, die ihr Abonnement über die Polygo-Chipkarte nutzen, fast alle ihre neue schon im Briefkasten gehabt haben sollten. Wer bisher keine bekommen hat, sollte noch bis Ende der nächsten Woche warten – und dann gegebenenfalls zu einem Verkaufszentrum gehen, um seine bisherige Karte tauschen zu lassen. Wer jetzt noch nicht neu bestellt hat und trotzdem zum 1. Mai einsteigen will, hat bis zum 28. April noch per Handyticket die Möglichkeit. Neue Chipkarten werden erst danach ankommen.

Bei der Bahn sind alle Kunden umgestellt, die sich aktiv gemeldet haben, entweder online oder am Schalter. Dennoch, so hat die Leser-Telefonaktion von Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten erbracht, gibt es bei Themen noch Unsicherheiten. Vier Experten von VVS, SSB und Deutscher Bahn haben die Fragen beantwortet.

Ich will das Deutschlandticket nur kurz nützen. Geht das?

Die Angst vor einer möglichen Abofalle Deutschlandticket treibt viele Leser um. „Was ist denn, wenn ich das Ticket nur zwei bis drei Monate im Sommer nutzen möchte?“, fragte eine Seniorin – die damit für eine ganze Reihe von Anruferinnen und Anrufern sprach. Die vier Experten von VVS, SSB und Deutscher Bahn verwiesen immer wieder auf das monatliche Kündigungsrecht: Wer zum Ende eines Monats aussteigen will, kann das bis zum 10. noch tun – auch durch einen Klick online.

Bekomme ich es am Automaten?

„Warum gibt es das Deutschlandticket nicht an Automaten?“, fragte eine ganze Reihe von Leserinnen und Lesern. Eine Seniorin kommentierte das so: „Das Neun-Euro-Ticket konnte man sogar beim Busfahrer kaufen, ohne großes Pipapo. Wer denkt sich denn so etwas aus?“ Mathias Hirth, Fachbereichsleiter Vertrieb bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), machte keinen Hehl daraus, dass es auch seinem Unternehmen lieber gewesen wäre, wenn der Kauf am Automaten möglich wäre. Das sei eine politische Entscheidung gewesen. Das habe einerseits mit dem Abomodell zu tun und dem Wunsch, die Menschen dauerhaft an den Nahverkehr zu binden: „Bundesverkehrsminister Wissing hat zudem darauf gepocht, dass das Deutschlandticket ein reines Digitalticket werden sollte.“

Ich habe mein Jahresticket im Voraus bezahlt. Nun wird monatlich abgebucht. Was passiert mit für Jahrestickets schon vorausbezahltem Geld?

Beim Deutschlandticket wird monatlich abgebucht. Aber was machen Kunden, die ein Jahresticket im Voraus bezahlt haben? Dieses Geld wird automatisch aufs Konto zurückerstattet.

Bei Marco Rastetter, bei der Deutschen Bahn für den Abo-Vertrieb zuständig, landete aber auch eine Rentnerin, die bisher ihr Seniorenticket bar am Schalter bezahlt hat. „Sie müssen jetzt wieder zum Schalter gehen und dort die Umstellung beantragen“, sagte er. Bar gebe es das Geld aber nicht: „Sie müssen dann schon Ihre Kontoverbindung angeben – und auch künftig gibt es das Deutschlandticket dann nur noch mittels Abbuchung vom Konto.“

Warum ist es bei der Deutschen Bahn so kompliziert?

Bahn-Experte Rastetter war am Telefon generell viel gefragt. Immer wieder reichten die anderen Teilnehmer den Hörer an ihn weiter. Das mit Abstand größte Kapitel für die Leser ist die Umstellung bei der DB. Denn was man genau bei der Umstellung zum Deutschlandticket tun muss, verwirrt auch deshalb, weil Bestandskunden unterscheiden müssen, ob sie ihr Abo bei den SSB oder bei der DB abgeschlossen haben.

Im Zweifelsfall hilft ein Blick auf den Kontoauszug, wer den Betrag denn nun abbucht. Während bei den SSB alles automatisch läuft, stimmt das bei der Bahn entgegen ursprünglicher Ansagen nicht mehr. Bei der Deutschen Bahn führt nichts an eine Abonnementsänderung und am Ende auch nichts am Weg an den Automaten oder ins Reisezentrum vorbei.

„Haben Sie denn unser Schreiben an alle unsere Kunden nicht mehr – da steht alles drin?“, sagte Rastetter einer Leserin, die überrascht war, dass sie als Bahn-Kundin etwas tun muss. „Das habe ich vor einiger Zeit weggeworfen, weil mit eine Kollegin gesagt hat, dass alles automatisch geht.“ Das Erste, was man braucht, ist die bisherige Abonummer, die auf der Chipkarte oder im Anschreiben der Bahn steht. Dann muss man auf der Bahn-Website zur Aboverwaltung online gehen und ausdrücklich bekunden, dass man das Deutschlandticket möchte. Die Bahn versucht dabei, ihre Kunden zu bewegen, gleich ein Handyticket abzuschließen, um sich die Chipkarte zu ersparen.

Karteninhaber müssen dann in einem zweiten Schritt das Deutschlandticket auf den Chip programmieren lassen. Am einfachsten geht das am Automaten, wo ein Kartenleser mit dem Symbol „E“ das erledigt. Einfach die Karte hinhalten, den restlichen Prozess erledigt die Maschine. Ansonsten geht das auch am DB-Schalter, aber nur dort. An denen sind aber, wie Rastetter einräumte, die Schlangen lang – und länger als bei den Verkaufsstellen der SSB, wo auch zusätzliches Personal die Lage entschärft.

Ich nutze bislang das Ticket Plus unter anderem wegen der Übertragbarkeit. Was nun?

Viele Anrufer interessierten sich auch für die Frage, wie sich das Deutschlandticket mit dem bisherigen Plus-Tarif kombinieren lässt, der eine großzügige Mitnahmeregel bei Kindern hat oder es auch erlaubt, das Ticket an eine andere Person weiterzugeben. „Was ist, wenn ich die Mitnahmemöglichkeit weiter nutzen will?“, fragten gleich mehrere Leserinnen und Leser. „Als Abo-Kunde der SSB müssen Sie nichts tun, das Ticket Plus wird automatisch weitergeführt“, sagte Mathias Hirth. Ab Mai zahlt man dann ganz einfach 49 Euro für das Deutschlandticket plus 9,90 Euro – für die dann allerdings nur innerhalb des VVS-Netzes geltende Zusatzfunktion.

Doch bei einem Leser, der sein Abo über die Deutsche Bahn abgeschlossen hat, musste VVS-Geschäftsführer Horst Stammler höchstpersönlich erklären, dass dies bei der Bahn nicht so einfach ist. Im ersten Schritt muss man online sagen, dass man das Deutschlandticket will. Und in einem Schritt zwei muss man zusätzlich noch telefonisch oder per E-Mail melden, dass man auch die Plus-Funktion dazu haben möchte. Oder sich in die Schlange beim Reisezentrum stellen, um das erledigen zu lassen.

Stammler zeigte Verständnis für den Unmut des Lesers. „Ja, das ist leider für eine Übergangszeit noch eine Gruschdellösung“, sagte er auf gut Schwäbisch. Immerhin: Der Automat bei der Bahn schafft es dann, Deutschlandticket und Plus-Tarif auf einmal auf das Ticket aufzuspielen.

Die Bahn hat mich zum Wechsel auf ein Handyticket ermuntert. Wie gebe ich aber dieses Ticket mit Plus-Funktion nun an jemand anderen weiter?

Eine Leserin hatte sich bei der Registrierung auf dem Onlineportal der Bahn auf ein Handyticket umstellen lassen. Sie nutzte aber bisher ein Ticket-Plus, das sie an ihren Sohn weitergeben konnte. „Geht das jetzt weiterhin?“, fragte sie. Nein, sagte der Experte der Bahn: Die Übertragbarkeit funktioniert nur, wenn man eine Chipkarte besitzt, die man sozusagen als Pfand und Beleg weitergibt. „Das müssen Sie leider noch einmal rückabwickeln und sich eine Chipkarte geben lassen“, sagte Rastetter.

Was passiert mit Jobtickets?

Auch beim Jobticket ist für viele Leser die Lage noch unübersichtlich. „Wie viel zahle ich jetzt eigentlich ab 1. Mai?“, fragte eine Leserin, die von der Bahn ein Schreiben bekam, dass ihr Jobticket gekündigt sei – was sie als Landesbedienstete dann doch etwas verwunderte. Aufgrund einer bundeseinheitlichen Regelung werden nämlich nur Jobtickets weitergeführt, bei denen der Arbeitgeber einen Zuschuss zahlt.

Doch viele Unternehmen haben auch jetzt die Frage noch nicht beantwortet, ob sie auch bereit sind, den für den Jobticket-Rabatt notwendigen Mindestzuschuss von einem Viertel, also 12,25 Euro, zu zahlen. Dieses Geld wird als Fahrtkostenzuschuss direkt bei der Lohnzahlung überwiesen. Zusätzlich gibt es von den Verkehrsunternehmen einen weiteren Rabatt von fünf Prozent auf die 49 Euro. „Sie müssen am Ende einfach draufschauen, was Ihnen für das Deutschlandticket dann konkret abgebucht wird“, sagte Martin Schugt, Teamleiter Vertrieb beim VVS. „Wenn das 46,55 Euro sind, dann gilt bei Ihnen der Rabatt weiter.“ Im Übrigen gelte auch hier die Devise, dass manches erst nach dem Stichtag 1. Mai wirklich geklärt sei. Zu viel gezahlte Beträge erhalte man aber zurück.

Wie sieht die Anerkennung des Deutschlandtickets in den IC der Gäubahn aus?

Auf den ersten Blick wirkt das wie eine Spezialfrage – die aber mehrere Leser umgetrieben hat. Denn bis jetzt kann man auf der Strecke die IC der Deutschen Bahn ausnahmsweise auch mit Nahverkehrstickets nutzen. „Ich pendle bisher mit dem IC nach Stuttgart zur Arbeit und weiß nicht, ob das vom 1. Mai an noch geht“, so ein Leser. Das ist auf der Strecke gerade für Pendler gravierend, weil nur mit dem IC ein Stundentakt sichergestellt ist. VVS-Geschäftsführer Stammler räumte ein, dass diese Hängepartie in den Verhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und dem Land Baden-Württemberg für die Kunden unglücklich sei. „Aber ich bin sicher, dass vor dem 1. Mai eine Lösung gefunden wird.“