Zwölf Leser und Leserinnen haben eine kleine Wahlnachlese betrieben und sich über die Veränderungen in ihrer Zeitung mit der Chefredaktion ausgetauscht.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Stuttgart - - Drumrumschwätzen ist unnötig: diese zwölf Männer und Frauen, insgesamt gibt es 15 Leserbeiräte in der Stuttgarter Zeitung, sind an diesem Dienstagabend im Stuttgarter Pressehaus wieder bestens informiert und debattierfreudig gewesen. Zweimal im Jahr treffen sie sich zum Austausch mit der Redaktion. Joachim Dorfs, der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, und Matthias Schmidt, Chef vom Dienst, sowie Rainer Pörtner, der das Politikressort leitet, waren am Dienstagabend die Gesprächspartner.

 

„Also für mich ist der Strobl ein kleiner Mappus, zumindest kommt er aus der Ära. Warum er von seiner Partei den Auftrag bekommen hat, verstehe ich nicht“, kommentierte die Leserbeirätin Andrea Asche die Personalie in der CDU. Ihre Tischnachbarin, Cornelia Foerster, meinte dazu: „Der hat keinen Auftrag bekommen, der nimmt sich den Auftrag.“ Matthias Jaschob mutmaßte: „Ob da nicht der Schwiegervater in Berlin die Finger drin hat?“ Dafür gebe es bislang keinerlei Anzeichen, erklärte Rainer Pörtner, der das neue Politikressort leitet, zu dem seit Anfang April auch die Landespolitik gehört; ein Teil des Stuttgarter Wegs, auf dem die Leserbeiräte zunächst bei einer Führung durch den Newsroom wandelten.

Podiumsdiskussion mit mehr als nur dem einen Thema

Die Diskussion mit kritischen Freunden der Stuttgarter Zeitung begann am Dienstagabend allerdings mit einer kleinen Wahlnachlese. Fast alle Beiräte waren im März der Einladung der StZ zur Podiumsdiskussion ins Haus der Wirtschaft gefolgt – auch dieser Abend war noch sehr präsent. Einige der Beiräte kritisierten die „Ein-Thema-Show“ auf dem Podium. „Es ging ja nur um Flüchtlinge“, meinte etwa Jutta-Beate Schmidt. Der Chefredakteur der StZ, Joachim Dorfs, gab ihr durchaus Recht: „Wir hätten mehr über andere, wichtige Themen des Landes sprechen sollen, auch wenn der Wahlkampf extrem unter dem Eindruck der Flüchtlingswelle gestanden hat.“ Auch die Form – sechs Menschen auf einem Podium, die alle möglichst viel reden, aber nicht so viel aussagen wollen – sei in der Redaktion ausführlich diskutiert worden. Dazu meinte Martin Huttenlocher: „Ich fand das in Ordnung. Ich habe zum Beispiel Interessantes vom Kandidaten der Linken gehört. Das ist aber nur möglich, wenn einer ausreden darf.“ Der Leserbeirat Erwin Weiblen aus Bietigheim-Bissingen lobte bei der Berichterstattung über die großen Podiumsdiskussionen des Wahlkampf den anschließenden Faktencheck der StZ. Denn er habe den Eindruck, mancher werfe mit Zahlen und Behauptungen um sich, die nicht stimmen könnten. Das habe es durchaus gegeben, erklärte Joachim Dorfs. Und Guido Wolf zum Beispiel habe einige Zahlen nach dem journalistischen Gegencheck nicht mehr benutzt.

Die Wahl ist für Nachrichtenmenschen längst vorbei – die neue Koalition hingegen regte die Redaktion sogar zum Träumen an. Sie erstellte ein fiktives Kabinett mit lauter Ministerinnen. „Das war eine super Sache“, meinte Andreas Bauer, ein Leserbeirat aus Hochdorf bei Ludwigsburg zu Kretschmanns Traumfrauenrunde aus der Dienstagsausgabe. Überhaupt lese er gerne die etwas schrägen Stücke. Es dürfe aber – vor allem in den Kommentaren auf der Dritten Seite – gerne knackiger und kontroverser zur Sache gehen, wünschte sich der Kriminalist im Ruhestand, Wolfgang Schimpeler.

Da steckt mehr drin

Sehr knackig fiel dann die Antwort von Jutta-Beate Schmidt auf die Frage des Chefredakteurs aus, ob die Leserbeiräte denn Veränderungen durch die Fusion der beiden Zeitungsredaktionen bemerkt hätten: „Dicker.“ Sie lese einfach „eine halbe Stunde länger Zeitung, ich glaube, da steckt mehr drin, und es sind halt gerade auch spannende Zeiten“, formulierte es die Leserbeirätin Doris Helzle etwas ausführlicher. Der Ex-Kriminalist Schimpeler kommentierte die neue Polizeiberichterstattung: „Wenn da Herr Obst und Frau Bilger gemeinsam recherchieren, dann finde ich das toll.“

Das neue Wochenende als sehr magaziniges Produkt gefiel den Leserbeiräten durch die Bank. Allerdings „ist schon viel Luft drin. Wenn ihr das etwas enger macht, spart ihr zwei Seiten“, meinte Wolfgang Schimpeler schmunzelnd.

Apropos Geld verdienen: Eigentlich in jeder Runde wollen die Leserbeiräte wissen, warum die Zeitung im Internet Inhalte verschenke. „Wenn ich abends online einen wirklich tollen Text zum VfB lese, und am nächsten Tag erscheint der exakt so in der Zeitung, dann frage ich mich, warum ich dafür bezahlen soll?“ fragte Volker Hühn konkret.

Das werde nicht mehr lange so sein, beantwortete Joachim Dorfs diese Frage – denn schon bald werde auf der Homepage der Stuttgarter Zeitung eine sogenannte Paywall eingezogen. Danach wird dann nur noch eine begrenzte Zahl von Texten kostenlos zu lesen sein.