Seit 30 Jahren schreibt Marcus Schlüter Leserbriefe an die Stuttgarter Zeitung. Ein Besuch bei dem pensionierten Oberstudienrat, der sicherlich auch ein guter Journalist geworden wäre.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Weil im Schönbuch - Im vergangenen Jahrhundert, also zu Zeiten, als Meinungen noch nicht vorwiegend über Facebook und Twitter verbreitet wurden, war der Leserbrief ein beliebter Forschungsgegenstand. Literatur- und Sprachwissenschaftler beschäftigten sich mit dieser speziellen Textsorte, aber auch Historiker und Soziologen. Der Berliner Publizistikprofessor Emil Dovifat bezeichnete in seinem 1955 erschienenen Klassiker „Zeitungslehre“ Leserbriefschreiber einerseits als „unerbetene Mitarbeiter“, gestand ihnen andererseits einen Nutzen für die Redaktionen zu, da sie „einen Teil der Öffentlichkeit repräsentieren“. 1979 fand das Allensbacher-Institut heraus, dass Leserbriefe vom Otto Normalrezipienten zwar stärker beachtet werden als Fortsetzungsromane, aber geringer geschätzt werden als beispielsweise die Artikel von Lokaljournalisten. Im selben Jahr wurden die Redakteure der „Salzburger Nachrichten“ gefragt, wie sie sich den typischen Leserbriefschreiber vorstellen: „Pensionierter Beamter, der viel Zeit hat.“