Mit etwas mehr Biss könnten die Journalisten den Kandidaten auf den Zahn fühlen, auf keinen Fall aber darf sich die Zeitung auf die Seite eines der Bewerber um das Amt des Oberbürgermeister schlagen. Wir haben mit Lesern über die OB-Wahl diskutiert.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Ausgewogen wollen sie informiert werden, vielleicht mit etwas mehr Biss könnten die Journalisten den Kandidaten auf den Zahn fühlen, auf keinen Fall aber darf sich die Zeitung auf die Seite eines der Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters schlagen – auf diesen Nenner kann man die Haltung der Teilnehmer bei der jüngsten StZ-Leserkonferenz bringen. Einig ist sich die Runde auch darin gewesen: der OB-Wahlkampf sei bis jetzt recht langweilig. Achim Zepter brachte es auf den Punkt: „Dieser Wahlkampf ist bis jetzt ziemlich blutdrucksenkend.“

 

Zum zehnten Mal hatte die Stuttgarter Zeitung am Montag Leser zu einem Meinungsaustausch darüber geladen, was sie von der Berichterstattung halten, aus aktuellen Gründen ging es dieses Mal um das Thema OB-Wahl. Alles in allem fühlen sich die Teilnehmer der Runde gut informiert. Als „angenehm ausgewogen“ beurteilt etwa Christian Stolz, was die StZ bisher über den Wahlkampf berichtet hat. „Ich fühle mich bestens informiert“, sagt Jürgen Baier.

Was nicht bedeutet, die Lesergruppe wäre der Meinung, dass man nicht doch noch manches verbessern könnte. Margot Imm zum Beispiel würde sich wünschen, „dass die Journalisten mehr nachbohren, zum Beispiel beim Thema Gewerbesteuer, dass sie mehr Biss zeigen, mehr Gegenfragen stellen und nicht alles schlucken“. Dem stimmten auch die Anderen zu.

Achim Zepter ist nicht damit einverstanden, dass sich die StZ sozusagen auf „Zielkandidaten fixiert hat, die man für aussichtsreich hält“. Zepter würde es vorziehen, dass auch den anderen im Bewerberfeld mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, allen voran Jens Loewe vom Wasserforum und Harald Hermann von der Piratenpartei. Auch dadurch könnte der gegenwärtig etwas langweilige Wahlkampf interessanter werden, glaubt er. Nur Hannes Rockenbauch bringe etwas „Leben in die Bude“, findet Zepter, was vermutlich dessen Jugend geschuldet sei, aber selbst bei der älteren Generation ankomme, weil er offenbar einen „Enkelbonus“ habe.

Achim Wörner und Holger Gayer, die Leiter des Lokalressorts, erklärten, warum die StZ so vorgegangen ist. Da es aufgrund des beschränkten Platzes nicht möglich sei, „alle gleichmäßig darzustellen“, habe man an die in vielen Zeitungen gepflegte Tradition angeknüpft, die Kandidaten besonders zu beachten, die von den Parteien und Gruppierungen im Gemeinderat unterstützt werden, so Gayer. Achim Wörner erklärte, wichtig für diese Auswahl sei auch eine gewisse programmatische Substanz der Bewerber gewesen. Er kündigte aber an, dass noch eine Übersichtsdarstellung der Positionen geplant sei, bei der auch Loewe und Hermann vertreten sind.

Auf die Frage von Matthias Schmidt, dem Chef vom Dienst der StZ, ob sie es gut fänden, wenn die Zeitung wie Blätter in den USA eine Wahlempfehlung geben würde, war die Antwort einhellig. „Das wäre eine Entmündigung des Lesers“, findet Christian Stolz. Achim Zepter würde der Zeitung dann „den bösesten Leserbrief“ schreiben, den man sich vorstellen könne.

Dass die Kandidaten und die Kandidatin etwas mehr Kante zeigen und die „Konsenssuppe“ (Zepter), noch etwas Würze erhält, darauf setzen die Teilnehmer der Leserkonferenz. Plakate, auf denen der Bewerber bekennt, ihm gehe es um Stuttgart, hätten für ihn jedenfalls „keine Bedeutung“, sagt Jürgen Baier. Und dafür, dass Sebastian Turner aus der Werbebranche komme, seien seine Plakate doch „ziemlich einfallslos“. Camillo Gaul freilich fragt sich, ob die Idee mit der Brezel nicht doch clever sei. Einer seiner Freunde müsse jedenfalls immer an Turner denken, wenn er jetzt eine Brezel kaufe. Margot Imm hat den Eindruck, dass sich die Bewerber um das OB-Amt wegen des lange Zeit so hochgekochten Streits über Stuttgart 21 eben „einen Schritt zurücknehmen“.